EEAG Report 2015
Der diesjährige Bericht der European Economic Advisory Gruppe bei CESifo (EEAG), der vierzehnte in Reihe, identifiziert wichtige politische und wirtschaftliche Bereiche, die nach Meinung der Autoren angepackt werden müssen, um die Wirtschaft der Euro-Zone zu stärken und den europäischen Integrationsprozesses zu beschleunigen. So verweist der Titel des Berichts – „Verwässern der Grenzen " (Blurring the Borders) – auf drei Grenzen-relevante Themen, die in den politischen Agenden an Bedeutung gewonnen haben, um sie aus ökonomischer Sicht zu analysieren: die Energieversorgung und -politik, die regionalen Disparitäten sowie die Migration. Das letzte Thema wird in zwei weiteren Beiträgen – auch aus der Sicht der Schweiz – diskutiert.
Vom Aufwärtstrend der Weltwirtschaft unterstützt, hat sich die Entwicklung des Euro-Raums 2014 etwas verbessert. Das stellt der EEAG Report 2015 in seinem makroökonomischen Outlook (Kapitel 1) aufmunternd fest. Insgesamt bleibe die wirtschaftliche Performance aber schwach, wobei grosse Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsstaaten auszumachen sind, die sich im negativen Fall mit politischen Unsicherheiten und/oder wirtschaftlichen Starrheiten erklären lassen. Der massive Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank lässt die Länder Südeuropas immerhin hoffen, weil er zur Abwertung des Euro beiträgt, was wiederum Deutschland und andere exportorientierten Euro-Ländern in ihrer Entwicklung unterstützt. Erwartet: Der verhalten positive Trend hält anDer Report geht davon aus, dass sich die Wirtschaft in Europa im laufenden Jahr ähnlich entwickeln wird wie 2014. Mit einem echten Aufschwung rechnet der Bericht allerdings nicht. Da gebe es zu viele strukturelle Probleme, die noch gelöst werden müssten. Für die EU wird eine Wachstumsrate von 1,3% für 2015 und für den Euro-Raum eine solche von 0,9 % prognostiziert. Die Beschäftigung soll ebenfalls leicht wachsen. Die Arbeitslosenquote damit von 10,2% 2014 auf 9,9% in laufenden Jahr fallen. Gefordert: „Europäische Energie Union“Während der Integrationsprozess dafür gesorgt hat, dass die nationalen Grenzen in der EU zusehends unschärfer geworden sind, treffe dies im Rahmen der jeweils nationalen Energieversorgung mitnichten zu, betont die Studie. Die Energiepolitik sei zwischen den Mitgliedsländern kaum koordiniert, obwohl damit erhebliche Gewinne realisiert werden könnten. Der Report schlägt (in Kap. 2) denn auch vor, die Energiepolitik nicht vor dem Hintergrund nationaler Energiemärkte mit strikten Staatsgrenzen zu debattieren, sondern dies mit dem Ziel eines integralen und einheitlichen EU-Marktes zu tun, was die ökonomische Rationalität und Effizienz als auch die Versorgungssicherheit aller Mitglieder spürbar verbessern würde. Der Report hält die Forderung nach einer Europäischen Energie Union sogar für wichtiger als seinerzeit diejenige nach einer Währungsunion. Durch eine gepoolte Energienachfrage könnten auf dem Weltmarkt erhebliche Gewinne erzielt werden. Erneuerbare Energien sind in Europa geografisch alles andere als perfekt verteilt, das gleiche gilt für den Zugang zu Energieimporten – vor allem aus Russland. Risiken bestehender Kernkraftwerke müssten alle Länder Europas mittragen und CO2-Emissionen würden weltweit verbreitet, unabhängig davon, wo sie in der EU entstehen. Stark differierende Energiepreise in den einzelnen Ländern sorgen für Wettbewerbsverzerrungen und die Verlagerung energieintensiver Unternehmen. Das Thema Energie ist hochkomplex, die einvernehmliche Lösung im Sinne aller EU-Länder dringend. Der mit Zahlen und Grafiken gespickte Bericht erklärt warum. Skepsis: Nationale Vorstellungen dominierenDie Integration der Volkswirtschaften im europäischen Markt werde die Wohlfahrt in den Ländern fördern, Unterschiede bei Löhnen, Arbeitslosenquoten etc. zwischen den Ländern reduzieren und so den politischen und sozialen Zusammenhalt stärken. Ist das geschehen? Bis zur Finanz- und Bankenkrise war das – so der Report – der Fall. Doch danach sei der Trend gekippt. Dabei seien es vor allem die Erwartungen der Menschen gewesen, die die positive Entwicklung bewirkt hätten, nicht aber offizielle Kohäsionsprogramme. Die Kehrtwende sei dann nach dem Platzen der Kreditblase von nicht koordinierten Politiken der europäischen Kern- und der Peripherieländern in letzteren verschuldet worden. Heute sind die nationalen Grenzen als Determinante der regionalen Entwicklung in Europa wieder aufgetaucht. Kapitel 3 des Reports räumt der Skepsis reichlich Raum ein, ob es gelingt, die Erwartungen aus der Gründerzeit jemals zu erfüllen. Um das Ziel nicht ganz aus dem Auge zu verlieren und auch von offizieller Seite den Weg dort zu erleichtern, ruft der Report zu einer europäischen Politik auf, welche Regionalförderung mit überregionalen Strukturfonds betreibt. Doch was immer die Effekte supranationaler Kohäsionspolitiken sein werden, sie dürften weiterhin durch nationale Vorstellungen und durch einen Mangel an wirklicher Koordination definiert werden. Da lässt die Studie keine Zweifel aufkommen. Zu viel des Guten: MigrationSchließlich wird die prekäre Situation, die in einigen Ländern durch die Krise und die erhöhten Migrationsströme (v.a. nach der EU-Erweiterung im Osten) herbeigeführt wurde, diskutiert. Diese Entwicklung hat die Migration auch in der EU (nicht nur in der Schweiz) in den Vordergrund der öffentlichen Debatte gerückt. Der Beitrag zum Thema ist in Kapitel 4 zu finden. Die dort formulierte Forderung: Wohlfahrtsansprüche sind von nationalen Staaten zu entkoppeln, beitragsorientierte Sozialversicherungs-Systeme hingegen zu fördern. Zentrale Aspekte des Themas Migration werden in zwei separaten Beiträgen diskutiert.
11.03.2015 | Autor
Jörg Naumann
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