Berufsaus- und -weiterbildung
Wie wirkt sich die wirtschaftliche Situation der Schweiz auf das Weiterbildungsverhalten der Bevölkerung aus? In fünf von 18 Weiterbildungsinstitutionen hat die Wirtschaftskrise - falls eine solche überhaupt besteht oder in jüngster Vergangenheit bestanden hat - einen klar positiven Effekt auf die Teilnehmerzahlen. Zwei Anbieter beurteilen die Situation eher positiv, während neun Institute allenfalls eine Verlagerung bei gleich bleibenden Teilnehmerzahlen registrieren. Das geht aus einer vor rund zwei Jahren durchgeführten Umfrage des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung SVEB hervor. Nur zwei Weiterbildungsinstitutionen stellten derzeit einen Teilnehmerrückgang fest. Dies vor allem bei den persönlichkeitsbildenden Kursen, Lehrgänge mit direktem Berufsnutzen werden stärker nachgefragt. Stimmen aus der Bildungslandschaft Offensichtlich und vielleicht auch verständlich ist, dass die Unternehmen bei der Übernahme von Weiterbildungskosten momentan zurückhaltender geworden sind. Der nach wie vor hohen Bedeutung der beruflichen Weiterbildung tut dies jedoch kaum einen Abbruch. Denn der Anteil der Selbstzahlenden hat sich leicht erhöht, wie Franz Liechti vom Zürcher Eric Berne Institut und Hans-Peter Hauser von der EB Zürich feststellen. Deswegen von einer Weiterbildungsoffensive im Zusammenhang mit der gegenwärtig noch immer anhaltenden schwierigen Wirtschaftslage zu sprechen, wäre sicherlich weit übertrieben. Und da vor einiger Zeit das dritte Konjunkturpaket des Bundes verabschiedet worden ist, können staatliche Beiträge, die direkt an die Betriebe fliessen, für Weiterbildungsinitiativen der Unternehmen wieder für mehr Belebung auf der Arbeitgeberseite sorgen. André Gnägi vom Zentrum für berufliche Weiterbildung ZbW St. Gallen nimmt ein antizyklisches Verhalten wahr. Die Weiterbildungen werden zwar in der ganzen Angebotsbreite noch gut nachgefragt, allerdings würden grössere Entlassungswellen der Unternehmen auch einen Einbruch bei den Aus- und Weiterbildungsinstituten zur Folge haben.
Die Wirtschafts- und Kaderschule KV Bern WKS führt seit geraumer Zeit im BMS-Vollzeitbereich neun statt sieben Klassen, was einer Steigerung von 20 Prozent entspricht. Die Schule profitiert davon, dass viele Lehrbetriebe ihre Lernenden nach dem Lehrabschluss gegenwärtig nicht weiterbeschäftigen. Im Bereich der höheren Berufsbildung seien besonders Führungsausbildungen bis hin zur ersten Führungsstufe gefragt.
Dass Bern eine klassische Dienstleistungsstadt ist, trägt zur Krisenresistenz bei. Denn gute Anmeldezahlen meldet auch Christian Walder von der Bénédict-Schule. „Aus dem Verkauf wissen wir, dass viele Leute die Kurzarbeit zur Weiterbildung nutzen." Ebenfalls wenig von einer Wirtschaftskrise spürt Andreas Zellweger von der Akademie St. Gallen. Die Sachbearbeiter-Lehrgänge seines Instituts weisen eine gute Nachfrage auf. Doch stellt auch er fest, dass sich die Leute, die sich anmelden, eher aus eigener Motivation kommen und nicht auf Anregung des Arbeitsgebers. Weiterhin stellt er fest, dass der Trend generell eher weg von den eidgenössischen Berufsprüfungen, dafür mehr in Richtung Höhere Fachschulen geht. Ähnliches bestätigt auch das Zentrum für Weiterbildung an der ETH Zürich bei den Neueintritten zu den akademischen Weiterbildungslehrgängen CAS, DAS und MAS. Bei sanu, Bildung für nachhaltige Entwicklung in Biel, sind vor allem jene Angebote stark gefragt, die sich an die Bauwirtschaft richten. Den klassischen Eintages-Seminarbetrieb sieht Direktor Peter Lehmann allerdings unter Druck, weil dieser vielen Arbeitgebern dazu diene, verdiente Mitarbeitende zu belohnen. Qualifizierte Lehrgänge und massgeschneiderte Inhouse-Schulungen seien in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besser positioniert. „Wir gehen generell davon aus, dass das Thema der nachhaltigen Entwicklung gerade in Krisenzeiten wie die gegenwärtigen, die unseres Erachtens eine Gesellschaftskrise ist, stärkere Beachtung auch in der Weiterbildung erfährt", sagt Peter Lehmann. „Es gebe sicher Unternehmen, die bei der Weiterbildung sparen, aber es gebe auch vorausblickende Unternehmen, die erkennen, dass die jetzige Lage nicht eine vorübergehende Laune der Konjunktur ist, und dass eine Neuausrichtung und Produktivitätssteigerung vieler Branchen vonnöten sei. Es gibt viele Unternehmen, welche die Gunst der Minderauslastung zur Stärkung der hausinternen Kompetenz nutzen." Diese muss möglichst massgeschneidert und wirkungsorientiert sein, damit sie einen Return ermöglicht und als Investition in die Zukunft betrachtet wird. Transparenz und Durchlässigkeit ... ... im Bildungssystem sowie die Vergleichbarkeit der Abschlüsse gehören zu den zentralen Anliegen des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung (SVEB). Mit der Entwicklung des NQR (nationaler Qualifikationsrahmen) leistet der Bund einen wichtigen Beitrag dazu. Der NQR soll ermöglichen, dass sämtliche Abschlüsse in einem einheitlichen Raster eingeordnet werden können. Damit können die mit dem Abschluss erworbenen Kompetenzen wiederum über den europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) mit ausländischen Abschlüssen direkt verglichen werden. Das heisst beispielsweise, ein eidgenössischer Fachausweis kann im NQR eingeordnet werden und über den EQR mit einem Bachelor oder einem anderen europäischen Abschluss direkt verglichen werden. Es ist klar ersichtlich, welches Kompetenzniveau der jeweilige Abschluss erreicht. Die Titelsystematik ist zwar nicht Bestandteil der NQR-Verordnung, trotzdem nutzt der SVEB die Gelegenheit und weist in einer Stellungnahme zum NQR darauf hin. Die schweizerischen Titel der höheren Berufsbildung sind im Ausland kaum bekannt. Deshalb fordert der SVEB zusätzlich für Berufsprüfungen die Einführung der Titel «Professional Bachelor», «Professional Master» für höhere Fachprüfungen und «Professional Bachelor HF» für Abschlüsse der Höheren Fachschulen. Damit wird die Zuordnung zu den Tertiär-Ausbildungen explizit und verständlich aufgezeigt. Um den Titelschutz zu gewährleisten, sollten diese Titel im Berufsbildungsgesetz verankert werden. Ausserdem sollen die Nachdiplom-Studiengänge (NDS) aus Sicht des SVEB, ebenfalls im NQR erfasst werden und zusätzlich ein Diploma Supplement erhalten.
„Aus unserer Sicht ist es zwingend nötig", schreibt der SVBE in einer Stellungnahme an Bundesrat Schneider-Ammann wörtlich, „dass auch die non-formale Weiterbildung in den NQR einzuordnen ist. Wir erwarten, dass das BBT dem europäischen Standard folgt und einen NQR einführt, der veraltete Grenzziehungen überwindet. Zudem ist in vielen Bereichen - z. B. Vorbereitungskurse für Berufs- und Höhere Fachprüfungen, Nachdiplomstudien der Höheren Fachschulen - unklar, ob sie künftig als formal oder non-formal gelten werden. Wenn der NQR den non-formalen Bereich ausklammert, trägt er dazu bei, Absolventen und Absolventinnen bestimmter Bildungsmassnahmen in ihrer Mobilität willkürlich zu benachteiligen. Das ist unzeitgemäss und für uns inakzeptabel." Und weiter heisst es: „Mittelfristig ist es aus unserer Sicht ausserdem wünschenswert, den NQR mit dem schon bestehenden Qualifikationsrahmen für die Hochschulen zusammenzulegen. Ein einheitlicher Qualifikationsrahmen ist eine adäquatere, zukunftsfähige Lösung. Auf nationaler wie auf internationaler Ebene geht die Entwicklung eindeutig in Richtung einer ganzheitlicheren Sicht der Bildungssysteme. Den Tertiär-A-Bereich gesondert zu behandeln, macht weder für die mobilitätswilligen Weiterbildungsinteressenten noch für die Arbeitgeber Sinn. Beide brauchen einen möglichst kompletten und verständlichen Bezugsrahmen, welcher die Vielfalt der Bildungswege und Abschlüsse berücksichtigt." Quelle: Aus Berichten des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung SVEB, Oerlikonerstr. 38, CH - 8057 Zürich. www.alice.ch Autor: H.-Joachim Behrend, TradePressAgency, CH-9326 Horn, eMail: tpabehrend@bluewin.ch
22.07.2012 | Autor
Hans Joachim Behrend
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