KOF Herbstprognose 2015-2017
Zwei Faktoren haben die Entwicklung der Schweizer Konjunktur in letzter Zeit positiv beeinflusst – und sie werden es weiterhin tun: Preissenkungen von Produkten und Dienstleistungen auf der einen sowie die Abwertung des Franken gegenüber Euro und Dollar auf der anderen Seite. Beide hätten, so Prof. Jan-Egbert Sturm anlässlich der Präsentation der KOF Herbstprognose 2015-2017, die drohende Rezession in der Schweiz verhindert und die Aussichten für die kommenden Jahre spürbar verbessert. Nach dem überraschenden 2. Quartal rechnet die KOF für das laufende Jahr mit einem Wachstum des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) von 0,9% und für das kommende Jahr mit 1,4%. Die Arbeitslosigkeit werde trotzdem leicht steigen, die Preise weiter fallen.
Die insgesamt positive Prognose für die Schweiz basiert keineswegs nur auf positiven Erwartungen über die Entwicklung der Weltwirtschaft. Diese werde, so die Prognose, allein schon durch den nur trägen wirtschaftlichen Aufholprozesses der meisten Schwellenländer gegenüber den Industrieländern verzögert. Zwar zeige sich Indien als Fels in der Brandung und trumpfe mit realen BIP-Wachstumsraten von 7,2 bis 7,5% (2015 bis 2017) auf, doch Brasilien werde nach einem BIP-Einbruch von über 7% im 2. Quartal 2015 noch mindestens drei Quartale brauchen, um in positive Bereiche zurückzufinden. Auch Russland kämpft mit einer veritablen Rezession und wird wohl erst 2016 zu leichtem Wachstum zurückkehren. Von besonderer Bedeutung für die Schweiz ist die Entwicklung Chinas. Selbst wenn die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt im laufenden und nächsten Jahr mit Zuwachsraten von über 5% daherkommt, liegen diese doch deutlich unter den bisher gewohnten Raten von 8 bis 10%. Die verfügbaren Daten interpretiert Sturm dahingehend, dass dieser Verlust an Dynamik primär dem Aussenhandel Chinas zusetzen, während die Inlandnachfrage – wenn überhaupt nur am Rande betroffen sein werde. Diese Neuorientierung werde sich allerdings bremsend auf die globale Konjunktur und über die sinkende Nachfrage auf die Rohstoffpreise auswirken. USA und Europa legen zuZuversicht verbreitet gemäss KOF die Entwicklung in den USA und in Europa. So werde sich die US-Wirtschaft In den nächsten Quartalen mit Wachstumsraten des realen BIP oberhalb des Potenzialwertes von 2,2% bis 2,3% pro Jahr entwickeln. Die gute Beschäftigungslage, steigende Investitionen, reale Einkommenszuwächse und tiefe Energiepreise seien die Hauptgründe. Zwar stelle die Finanzpolitik Washingtons ein gewisses Risiko dar, dennoch geht die Prognose von jährlichen realen BIP-Zuwachsraten von 2,4% im laufenden und 2,7% im nächsten und 2,4% im übernächsten Jahr aus. Auch Europa bringt sich als zunehmend interessanter Partner für die Schweizer Wirtschaftsakteure ins Spiel. Die EZB werde ihrer expansiven Geldpolitik ebenso treu bleiben wie Deutschland seiner Rolle als Konjunktur-Lokomotive, auch wenn das Geschehen in China nicht ganz spurlos an der Entwicklung der grössten EU-Volkswirtschaft vorbeigehen werde. Die KOF-Prognose rechnet für Deutschland mit Zuwachsraten von 1,5% (real) für 2015, 1,9% für 2016 und 2,1% für 2017. Nicht ganz so erfreulich läuft es in Frankreich, doch auch hier liegen Zuwachsraten von 1,5% 1,9% und 2,1% (2015-2017) der Prognose zugrunde. Etwas schwächer sollen die Zuwächse in Italien ausfallen (0,7%, 1,1% und 1,2%). Immerhin: die Grundstimmung ist positiv, die Konsumenten zeigen sich zuversichtlich. Bleibt England in der EU?Bleibt noch England von den grossen europäischen Volkswirtschaften. Hier brummt die Wirtschaft zurzeit mit einem jährlichen Zuwachs von 2,6%, für das kommende Jahr wird hingegen mit einer leichten Reduktion auf 2,4% gerechnet. Dabei unterstellt die KOF-Prognose, dass das Referendum über die Zugehörigkeit zur EU in England abgelehnt wird, dass ändert indessen nichts daran, dass die Unsicherheiten für die Unternehmen im Vorfeld der Abstimmung steigen. Zusammengefasst geht die KOF-Prognose von einem gesamteuropäischen BIP-Zuwachs von 1,6 % in diesem und im nächsten Jahr aus, das sich 2017 auf 1,8% beschleunigen soll. Ermutigende Ausgangslage für die SchweizWas bedeutet das nun für die Schweizer Wirtschaft? Nach den raschen und zum Teil erheblichen Preisnachlässen der Schweizer Unternehmen werden viele Betriebe rote Zahlen ausweisen. Die weitere Entwicklung wird deshalb stark vom Wechselkurs Fr./Euro abhängen. Immerhin rechnet die KOF mit einer Stabilisierung des Wechselkurses bei 1.10 Fr./Euro. Um diesen Trend nicht zu gefährden und den Franken ggf. unter Aufwertungsdruck zu setzen, werde de Schweizer Nationalbank bis Ende 2017 an den Negativzinsen festhalten, ist die KOF überzeugt. Gegenüber dem Dollar rechnet sie sogar mit einer weiteren Abwertung des Franken. Effekt überbewertetDass der Wechselkurs Einfluss auf die Entwicklung des BIP hat, ist unbestritten. Die Frage ist allerdings, wie gross er ist. Frühere Analysen kamen zum Schluss, dass eine Auf- bzw. Abwertung des Franken gegenüber dem Euro um einen Prozent eine Veränderung des BIP um ein Drittel Prozent zur Folge hätte. Während neuere Analysen den Effekt auf die Hälfte des ersten Resultates reduzierten, kommt eine aktuelle ex-post Studie auf Basis bereits berechneter Daten zum Ergebnis, dass der Effekt unter 5 Prozent beträgt. Hat sich die SNB also umsonst gegen eine Aufwertung des Franken gewehrt? Die Frage bleibt offen. Da auch die Konsumentenpreise in der Schweiz unter Druck bleiben und weiter sinken dürften, erwartet die KOF, dass sich die Margen der Unternehmen bis 2017 stabilisieren oder gar leicht regenerieren werden. Dazu soll auch die Teuerung beitragen, die weiterhin negativ bleibt und für reale Lohnerhöhungen sorgt, selbst wenn nominal keine beschlossen wurden. Immerhin sollen die Preise 2015 um 1,1% sinken, was dem tiefsten Stand seit der Jahrtausendwende entspräche, danach werde sich die Entwicklung 2016 auf -0,2% verlangsamen. Trotz allem: (Jugend-)Arbeitslosigkeit nimmt weiter zuAus all diesen und einer langen Reihe weiterer Voraussetzungen berechnet die KOF ihre Prognose. Daraus resultiert für 2015 eine BIP-Wachstumsrate von 0,9%, was im Vergleich zur letzten Prognose (im Juni) von 0,4% mehr als eine Verdopplung bedeutet. Da zusätzlich mit einem Bevölkerungswachstum von 1,1% gerechnet wird, soll das BIP ein Jahr später auf 1,4% steigen, wobei steigende Exporte (von 1,1% 2015 auf 4,4% 2016) und private Konsumausgaben (von 1,2 % 2015 auf 1,7% 2016) für den nötigen Rückenwind sorgen. Trotz allem werden die Arbeitslosigkeit von 3,3% auf 3,6% (2016) und vor allem die Jugendarbeitslosigkeit weiter steigen.
01.10.2015 | Autor
Jörg Naumann
-> Drucken
|
MEHR ZU DIESEM THEMA
TOP ARTIKEL
TOP AKTUELLsoeben aufgeschaltet
MEIST GELESEN
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|