KOF Konjunkturumfrage Juli 2015
Viel hat sich nicht bewegt seit der letzten Befragung vor einem Quartal. Doch ein Trend ist offensichtlich: Mit einer weiteren Verschlechterung der Lage rechnen die befragten Repräsentanten aus über 4500 Privatunternehmen zurzeit (Juli 2015) nicht. Über alle Branchen und Regionen wird der Eindruck vermittelt, die härtesten Rückschläge habe man hinter sich, eine Stabilisierung – wenn auch auf tiefem Niveau – gewinne an Oberhand. So lassen sich die Erkenntnisse der letzten KOF-Konjunkturumfrage zusammenfassen. Ermutigend bei der Lagebeurteilung ist, dass sie sich bei (fast) allen befragten Detailaspekten und eben auch in allen Wirtschaftsbereichen wiederspiegelt. Die Geschäftserwartungen sind allenthalben leicht gestiegen. Immerhin fällt auf, dass die in der Ost- und Nordostschweiz Befragten die Lage skeptischer beurteilt als diejenigen in der Zentralschweiz. Hier zeigt das regionale Höhenmeter eine auffällige Tendenz nach oben, während es in allen anderen Regionen horizontal verläuft. Zuversicht gewinnt die OberhandDieses Bild wird, so Klaus Abberger von der KOF Konjunkturforschungsstelle, auch vom verarbeitenden Gewerbe, also der Industrie, vermittelt. Gross sind die Ausschläge im Vergleich zur letzten Befragung nicht, aber eindeutig, vermittelt er mit vorsichtigem Optimismus. Und das lässt hoffen. Sogar die exportorientierten Unternehmen geben zu Protokoll, dass sie keine Verschlechterung der Lage erwarten, auch wenn sie von der Grundeinstellung etwas pessimistischer sind als die inlandorientierten Betriebe. Branchenspezifische Vergleiche der Geschäftslage zeigen, dass diese heute im Vergleich zum Januar 2015 bei allen (Ausnahme „Sonstige“) deutlich schlechter beurteilt wird als vor einem halben Jahr, doch im Quartalsvergleich (April-Juli) ist der Negativtrend nur noch in der Chemie (inkl. Kunststoffe) wiederzufinden. Seither gewinnt die Zuversicht auf bessere Zeiten die Oberhand. Dass die Freigabe des Franken gegenüber dem Euro die Wettbewerbsposition der Schweizer Industrie deutlich beeinträchtigt hat, daran lassen die Antworten der Befragten keine Zweifel. Gemäss Befragung gilt das vor allem für Geschäfte innerhalb der EU, aber auch für solche in der Schweiz und in Drittländern. Doch selbst hier scheint der Tiefpunkt der Beurteilung und damit der Wendepunkt überwunden. Das gilt auch für die Kapazitätsauslastung, die zwar noch tief ist, aber mit 81.2 % bereits über den 81.0 % der letzten Befragung rangiert. Ertragslage hat am meisten gelittenDeutliche Konsequenzen haben die letzten Monate und vor allem die Bemühungen der Unternehmen, der Gefahr des – für sie zu – harten Franken zu begegnen, in der Ertragslage der Unternehmen hinterlassen. Hier wurde im 1. Quartal mit einem Wert von –45 beinahe der historische Tiefpunkt der Beurteilung vom 2. Quartal 2009 unterboten. Doch aktuell hat sich der Wert auch hier leicht verbessert. Mit der Möglichkeit, die Preise langsam wieder nach oben anzupassen, rechnet allerdings noch niemand. Grössere Zuversicht kommt beim erwarteten Bestellungseingang und bei den Personalplänen zum Ausdruck. In beiden Fällen wird eine sich langsam verbessernde Lage erwartet. Bauwirtschaft nie bedrohlich unter DruckAbweichend vom verarbeitenden Gewerbe ist die Lagebeurteilung in der Bauwirtschaft nach der Frankenfreigabe nie auch nur in die Nähe des Negativbereichs gerutscht. Gerade mal 10 % aller Befragten beurteilen deren Geschäftslage mit schlecht. Der Rest ist damit zufrieden bis sehr zufrieden (ja 45 %). Allerdings kann die Kapazitätsauslastung der Bauindustrie nicht mehr mit den Zeiten von 2011 bis 2013 mithalten. Seit einem Zwischenhoch Ende 2014 ist dieser Indikator auf heute 74 % gesunken. Inzwischen werden aber wieder steigende Auftragsbestände erwartet. Handel und Grosshandel im SandwichDie beiden Branchen sind nicht nur mit dem Rest der Wirtschaft auf Gedeih und Verderb verbunden, sie stehen häufig im Sandwich zwischen Produzent und Endabnehmer und müssen dem Erwartungsdruck beider Seiten standhalten. Die Lagebeurteilung der Befragten wiederspiegelt diese Situation. Während die Lagerbestände als deutlich zu hoch erachtet werden, gilt für Indikatoren wie die Geschäftslage, die Kundenfrequenz oder die Ertragslage das Gegenteil. Vielleicht weil die nach wie vor negativen Preiserwartungen ihr Rolle als Drohkulisse deutlich abgeschwächt haben, zeichnet sich auch hier bei den Geschäftserwartungen eine Trendwende zum Positiven ab. Sommer und Preisnachlässe als RückenwindIm Tourismus ist die Lagebeurteilung gespalten. Weil das gute Wetter in den letzten Monaten unterstützend gewirkt haben dürfte, fällt die negative Beurteilung der Geschäftslage bei den Gastronomieunternehmen immerhin weniger hart aus als bei der letzten Befragung. Das ist bei den Beherbergungsbetrieben anders. Hier hat sich die Skepsis hinsichtlich der weiteren Entwicklung eher zugespitzt, zumal der Grad der Zimmerbelegung auf einen Tiefstand von unter 55 % gesunken ist. Doch in beiden Bereichen wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Entwicklung nur eine Richtung kennen wird: nach oben. Finanzindustrie zweigeteiltDie Finanzindustrie hat ihre eigenen Probleme mit dem harten Franken, vor allem wenn man an die tiefen Zinsen, die in gewissen Bereichen bereits im Negativbereich gelandet sind, denkt. Dennoch kommt die Umfrage zum Ergebnis, dass auch diese Branche mit erfreulichen Entwicklungen rechnet. Dabei fällt die aktuelle Beurteilung bei den Banken etwas positiver aus als bei den Versicherungen, aber beide rechnen mit einem anhaltend positiven Trend. Eher zurückhaltend äussern sich Bankenvertreter, was die Entwicklung ihrer Personalbestände belangt, hier sind die Versicherungen etwas positiver gestimmt, auch wenn sie ihre überaus positiven Erwartungen des Vorquartals aktuell deutlich neutralisiert haben. Dienstleistungen profitierenWenn alle anderen Wirtschaftsbereiche mit einer – wenn auch verhaltenen – Verbesserung ihrer Lage rechnen, sollte dies auch für die privaten Dienstleister gelten, die von den Unternehmen gesucht und beauftrag werden. Dem ist auch so. Vor allem die sog. Repräsentanten von Persönlichen Dienstleistungen erwarten eine deutliche Verbesserung ihrer Geschäftslage. Doch auch die Vertreter der wirtschaftlichen Dienstleistungen und solcher für Verkehr, Information und Kommunikation beurteilen die Aussichten erfreulich positiv und stabil. Hoffnung für den ArbeitsmarktWas bedeutet dies als Quintessenz für die Personalbewirtschaftung der Privatindustrie? Nach einem deutlichen Stimmungswandel nach der Freigabe des Franken scheint sich auch hier eine Stabilisierung abzuzeichnen. Die Prozentzahlen derer, die mit einer Abnahme der Personalbestände rechnen (18 %) liegt leicht unter der letztmaligen Beurteilung (19 %), die derjenigen, die eine Aufstockung erwarten (8 % vs. 7 %), leicht darüber. Entscheidend dürfte hier sein, dass die grosse Mehrheit der Befragten auch für den Arbeitsmarkt nicht länger mit einschneidenden Einbrüchen rechnet. Unwägbarkeiten bleibenDie weitere Entwicklung der Schweizer Wirtschaft hängt natürlich auch vom Umfeld ab. Da ist die EU-Konjunktur inkl. Griechenland, wobei sich letzteres als weniger einflussreich auf die Gesamtentwicklung erwiesen hat als befürchtet, zu berücksichtigen. Vor allem Deutschland sendet hier zurzeit positive Signale aus. Zudem hat sich der Franken von der politischen Verunsicherung in Europa kaum beeindruckt gezeigt. In welchem Ausmass die SNB dazu beigetragen hat, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Ob sich der Franken hingegen weiter abschwächen wird (wie von allen Seiten erhofft), mag Klaus Abberger auch nicht vorhersagen. Er gibt sich vor allem für das Gastgewerbe zuversichtlich, dass die erste Schockwelle mit gezielten Massnahmen abgefedert werden konnte, mit einer zweiten rechnet er zurzeit nicht. Dieses Urteil gilt indessen für die Gesamtwirtschaft. Auch in den anderen Bereichen wurden Massnahmen – vor allem Preiseingeständnisse – getroffen, die allerdings die Ertragslage der Unternehmen unter Druck gesetzt haben. Noch haben die meisten Unternehmen ihre Mitarbeiter und damit ihr Know-how behalten. Ob die Rechnung aufgeht, ist noch nicht klar, aber mit der neuen Umfrage ist die Wahrscheinlichkeit weiter gestiegen. alle Grafiken: KOF Konjunkturforschungsstelle
06.08.2015 | Autor
Jörg Naumann
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