ID-TECHNOLOGIEN

Von der simplen Nummer zur Prozess-Info

Kaum ein grösseres Lager arbeitet heute noch ohne Lagerverwaltungssystem (LVS). Dabei lassen sich Betriebe unterscheiden, die "offline" arbeiten und vom LVS-Server papierbasierte Listen drucken, sowie "online"-Systeme, die jeden Auftrag über ein Funknetz an ein Datenfunkterminal mit LVS-Client schicken.

Prozessverbesserungen durch den Einsatz von modernen Identifikations(ID)-Technologien steigern die Effizienz in der Intralogistik indem manuelle Kontrollschritte entfallen. Zusätzlich wird eine Verringerung der Fehlerquote erreicht. Der Markt der Mittel zur automatischen Identifikation ist zwar gegenwärtig vor allem durch die Barcodes geprägt, die mit über 70% aller Applikationen eine Schlüsselrolle haben, aber automatische Identifikation hat bereits in allen Bereichen der Distributionslogistik grosse Verbreitung gefunden.

Im Barcode-System muss allerdings ein Lesegerät in die Nähe des Barcodes gehalten werden, damit dieses die Daten übermitteln kann, die dann mit einer Datenbank verglichen werden. Hier liegt jedoch ein Unterschied zur neuen Technologie, der RFID-Technik. Denn Transponder, wie sie bei der RFID-Technik eingesetzt werden, reagieren auf ein Funksignal und senden erst dann ihre Daten an das entsprechende Lesegerät. Bei der RFID-Technik handelt es sich also nicht um einen Chip, der direkt abgelesen werden muss, sondern um einen Chip, der seine Informationen auf Abruf sendet. Man unterscheidet dabei zwischen aktiven und passiven Transpondern.

Ein grosser Vorteil der RFID-Technik ...

... gegenüber dem Barcode-System ist, dass die Chips nicht nur lesbar, sondern auch beschreibbar sind. Daher ist es möglich, weitergehende Informationen auf dem Transponder unterzubringen - auch während des Materialflusses. Zudem sind Transponder im Vergleich zu Barcodes nicht so anfällig. Sie sind lageunabhängig, haben keine Störungen bei Verschmutzungen und funktionieren auch noch, wenn sie etwas beschädigt sind, was von einem Barcode nicht zu behaupten ist.

Der Hauptunterschied zwischen Barcode und RFID, der auch die Besonderheit dieses Systems ausmacht, ist aber folgender: Während ein Barcode lediglich die Art eines Produktes bezeichnet, kann ein Transponder viel genauere Daten anzeigen. Durch die Daten auf dem Transponder können Datenbanken abgefragt werden, die zusätzliche Informationen bereitstellen. Für Logistikfirmen und den Handel sind solche Informationen natürlich Gold wert, allerdings sehen Datenschützer gerade hier einige Probleme.

System-Vergleich

Weil mit der bislang verwendeten EAN-Nummer des Barcodes lediglich die Art des Artikels identifiziert wird, nicht aber jedes einzelne Produkt, und auch keine zusätzlichen Informationen gespeichert werden können, sieht man wesentliche Vorteile in der RFID-Technologie. Die nebenstehende Tabelle liefert eine Übersicht über die wesentlichen Unterschiede von RFID-Tags gegenüber dem Barcode:

Das Äquivalent zur EAN ist bei RFID der Electronic Product Code, kurz EPC. Die zentrale Vergabe von Nummernkontingenten durch EPCGlobal sorgt für eine weltweit eindeutige Identifikation von Waren. Die zunehmende Einführung von RFID wird jedoch die Kennzeichnung durch Barcodes nicht vollständig ersetzen. Zwar entstehen grundsätzlich neue Möglichkeiten der Identifikation, in bestimmten Fällen kann es aber aus Kostengründen vorteilhafter sein, auf die konventionellen Barcodes weiterhin zu bestehen.

Einige Anwendungsbeispiele

►  Antennen für mehr Sicherheit: Innovative Ansätze, um Unfallrisiken im Produktionsalltag zu minimieren, stehen bei Neuinvestitionen hoch im Kurs. Als bei Bosch Rexroth am Standort Elchingen (D) im Jahr 2010 der Austausch der rund 100 eingesetzten Flurförderzeuge anstand, war die Sicherheit deshalb ein wichtiger Punkt der Ausschreibung. Konkret ging es u.a. um die Begrenzung der Geschwindigkeit der Fahrzeuge, wenn sie im Hallenbereich arbeiten.

Bei der Geschwindigkeitsbegrenzung in den Gefahrenbereichen überzeugte der Flurförderzeug-Hersteller Still mit einer Lösung auf RFID-Basis. Das Konzept setzt je eine RFID-Antenne pro Stapler und rund 90 im Boden versenkte Transponder vor und hinter jedem der 27 Halleneingangstore voraus. Sobald ein Stapler vom Außenbereich in eine der Hallen fährt, wird das Tempo des Fahrzeugs automatisch auf maximal sechs Stundenkilometer reduziert. Erst beim Verlassen der Halle kann der Fahrer die Geschwindigkeit wieder selbst und vor allem höher bestimmen. Insgesamt mussten bei Bosch Rexroth dafür im Innen- und Aussenbereich 2.500 passive Transponder mit einem Durchmesser von je 6 Millimetern installiert werden. Die Herstellergarantie beträgt 30 Jahre. Wenn wirklich mal einer der Transponder ausfallen sollte, kann der betreffende Sender mit Hilfe einer Antenne geortet und schnell ausgewechselt werden.

Einer der Vorteile dieser zuverlässigen Lösung ist, dass sie nicht umgangen werden kann - nicht einmal aus Versehen oder aus Nachlässigkeit. Bei einerSteuerung mit Lichtschranken hätten zum Beispiel die Messbereiche ständig von Gegenständen freigehalten werden müssen. Zudem hätten die Tore zusätzliche Stromanschlüsse benötigt.

►  RFID-Lösung regelt Einlass von Besuchern:Um den Besucherandrang an der Rennstrecke zum belgischen Formel-1-Grand-Prix in Francorchamps zu bewältigen, wurde ein auf RFID-Technologie basierendes System eingesetzt, das die belgische Firma RFIDea, die inzwischen zur Zetes-Gruppe gehört, bereitstellte. Die Lösung erkennt nicht nur falsche Tickets, sondern sorgt auch für mehr Sicherheit und Effizienz.

Alle Tickets sind mit einem integrierten RFID-Chip versehen. Kontrolleure, die mit mobilen RFID-Lesegeräten ausgerüstet und an der Strecke verteilt sind, empfangen die in den Ticket-Chips gespeicherten Daten und können so den Zugang zu den verschiedenen Zonen überwachen. Da an den Checkpoints der Chip in den Tickets viel schneller gelesen werden kann als ein Strichcode, werden Warteschlangen minimiert. Durch Speicherung der Zugangs- und Ausgangsinformationen im RFID-Chip selbst können Fälschung und der verbotene Austausch von Tickets nahezu eliminiert werden.

►  RFID in der Logistik

Für den RFID-Einsatz kommen zunehmend die Mehrweg-Transportverpackungen in Betracht. Der Grund dafür ist, dass die zurzeit vergleichsweise hohen Kosten für die RFID-Transponder durch mehrfache Nutzung verteilt werden können. Aber auch die Perspektiven des Einsatzes von RFID-Technologie in der Logistikkette von frischen Lebensmitteln sind gross. Hohe Qualitätsstandards, sich ständig verschärfende Gesetzvorschriften und ein hoher Wettbewerbsdruck zwingen einschlägige Unternehmen dazu, nach Optimierungspotenzialen für ihre Logistik zu suchen.

Durch die Verabschiedung der neuen EU-Verordnung 178/2002, die seit dem 1.1.2005 alle Unternehmen der Lebensmittelbranche verpflichtet, die chargengenaue Rückverfolgung ihrer Ware durch die gesamte Lieferkette zu gewährleisten, erhält die Identifikation durch RFID einen bedeutsamen Stellenwert.

RFID-Technologie im Aufwind

Es ist nicht mehr zu übersehen, dass Unternehmen immer mehr auf kontaktlose ID-Lösungen setzen. Dies geht aus der Online-Umfrage des Fachmagazins „RFID im Blick" hervor, an dem 239 Entscheider teilnahmen. Demnach werde inzwischen schon jede dritte RFID-Anwendung in der Industrie (31 Prozent), 15 Prozent im Transportwesen sowie  sowie knapp sieben Prozent in der öffentlichen Verwaltung und dem Facility-Management realisiert. Gemäss dieser und anderen Umfragen liegt der Projektschwerpunkt gegenwärtig vor allem bei Zutrittskontrollen und der Zeiterfassung (34 Prozent). Zwei von fünf Unternehmen setzen hierbei auf kontaktlose Karten. Auch der öffentliche Personennahverkehr und das Ticketing  sind weitere wichtige Einsatzgebiete (jeweils 28 Prozent). Eine ebenso wichtige Rolle wird der Personenidentifikation beigemessen, was nicht zuletzt der Einführung des elektronischen Personalausweises und der Aufenthaltskarte für ausländische Arbeitnehmende (Nicht EU-Bürger) sein dürfte.

Ist RFID das Mass aller Dinge?

Erste Visionäre sahen die RFID-Chips in allen Geldnoten, Lebensmittelpackungen und sogar unter der Haut des Menschen und Tieren. Doch die Verbreitung erfolgte nicht so rasant wie prognostiziert. Dennoch hat diese Funktechnologie ein stabiles Wachstum hingelegt und spielt vor allem bei der Prozessoptimierung in der Logistik eine wichtige Rolle.

RFID ermöglicht manuelle Prozesse zu automatisieren und dadurch zu beschleunigen. Gleichzeitig lassen sich Informationstransparenz und Prozessqualität erhöhen. Durch die drahtlose Übermittlung von Identifikationscodes lassen sich Informationen zur Identifizierung von Objekten auch dann übertragen, wenn diese in Bewegung sind. Darüber hinaus ermöglicht die Pulk-Erfassung bei einigen Anwendungen extrem schnellen, reibungslosen Datentransfer.

Die zunehmende Reife der RFID-Technologie zeigt sich in den Standardanwendungen, von denen es in der Logistik mittlerweile eine ganze Reihe gibt: Item-Tagging etwa, Warenverfolgung oder die Protokollierung von Fertigungsstati. Die Überwachung des Materialflusses hat mittlerweile in vielen Unternehmen Einzug gefunden. Die erhöhte Transparenz, die ein Unternehmen auf diese Weise erreicht, schlägt sich positiv nieder. Einerseits lassen sich aufwendige Abstimmungsvorgänge weitgehend eliminieren, während gleichzeitig Erfassungsfehler wirkungsvoll reduziert werden können.

Wesentlich ist in der Intralogistik auch, dass sie die Materialverwendung ohne grossen Aufwand nachvollziehbar zu dokumentieren ist und Schwund weitgehend vermieden wird. So z.B. beim Behältermanagement. Hierbei werden die Ladungsträger mit RFID ausgestattet und an strategischen Punkten gezielt identifiziert. Durch eine geschickte Verknüpfung der gewonnenen Daten werden Reserven optimal genutzt, der Bedarf zuverlässig ermittelt und die manuelle Behältersuche vermieden.

Aber auch in der Logistik mit ihren zahlreichen erprobten Anwendungen ist RFID noch nicht vollends angekommen. Das belegen die Erhebungen der TU Berlin, bei denen ein zentrale Frage im Raum stand: Wenn RFID sich doch so offensichtlich für die Optimierung der Logistikkette eignet, warum schaffen es viele Unternehmen dann nicht, die entsprechenden Vorteile auch abzuschöpfen?

Vielfach wird RFID nur als Ergänzung/oder noch schlimmer - als Alternative zum Barcode-System gesehen. Potenzieller Zusatznutzen aus Rückverfolgbarkeit, Service- und Supportangeboten, Prozess- bzw. Produktionsoptimierung und Qualitätssicherung, die einen starken Einfluss auf die Investitionskosten haben, bleibt häufig unberücksichtigt.

So viel ist sicher: Für den erfolgreichen Einstieg in die RFID-Technologie empfiehlt sich eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Grund: Der Aufbau eines kompletten RFID-Systems erfordert neben genauen Kenntnissen der Technologie auch Analysen auf der Basis von tief greifenden Erfahrungen und praxisnahen Testumgebungen. Einsatz von RFID heisst bestehende Prozesse hinterfragen und versuchen neue (effizienter) zu gestalten. Denn RFID bietet vielfach zusätzliches Potenzial durch die Mehrfachnutzung entlang einer Supply Chain. Ist nur eines ihrer Glieder inkompatibel ausgelegt, drohen Verluste statt der erhofften Produktivitätsgewinne.

In der Zukunft ...

... werden flexibel agierende dezentrale Systeme weiter an Bedeutung gewinnen. Für die Zukunft sagen die Experten der kontaktlosen Technologie eine positive Entwicklung voraus. Im Fokus steht dabei die Logistikbranche. Fast jeder dritte Technologiemanager erwartet für RFID-Anwendungen im Transportwesen das stärkste Wachstum bis 2015. Darüber hinaus sorgt unter anderem die Ankündigung von Finanzinstituten, eine kontaktlose Geldkarte im Rahmen einer Pilotierung einzuführen dafür, dass fast jeder vierte Entscheider (23 Prozent) bei Bezahlsystemen deutliche Wachstumspotenziale vermutet.

Autor:  H.-Joachim  Behrend,  TradePressAgency,  CH - 9326  Horn,  eMail: tpabehrend@bluewin.ch

 

 

12.05.2012 | Autor Hans Joachim Behrend   -> Drucken

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