Transportlogistik / Nutzfahrzeuge
Betriebsinterner Materialfluss (Waren-/Gütertransporte), aber vor allem in unserer Umwelt ausserhalb von Produktionsstätten, begegnen wir auf Schritt und Tritt. Transportlogistik und Nutzfahrzeuge sind dazu die markantesten Schlagworte. Sie verändern und befruchten sich gegenseitig. Einige Entwicklungsprojekte hierzu und deren Nutzen stecken zwar noch ganz am Anfang, viele Detailprojekte haben jedoch schon ihre Marktreife eingeläutet. Ein kleiner Überblick zeigt, womit und wie sich der Transportbereich (logistisch) verändern wird. Die Transportlogistik generell und die Distributionslogistik im Besonderen gehören zu den wichtigsten Zweigen der Wirtschaft. Sie umfassen sämtliche Prozesse des Transports, der Lagerung und des Umschlags von Gütern inklusive der eingesetzten Informationstechnologien. Diese Aufgaben finden in sämtlichen Verkehrsarten statt: auf der Strasse, der Schiene, über Wasserwege und dem Luftverkehr. Die Strassentransporte machen jedoch den grössten Anteil aus. Alle Transportarten sind in spezielle Logistikkonzepte und -prozesse eingeteilt, wie z.B. die Beschaffungslogistik, die das Bindeglied zwischen den Lieferanten und dem Wareneingangslager des Unternehmens ist. In der Produktionslogistik findet in der Regel nur innerbetrieblicher Transport und das Lagern der Waren zwischen den verschiedenen Abschnitten der Fertigung statt. Die Absatzlogistik bezeichnet das Lagern und den Versand der Fertigwaren an den Kunden (Fertigwarenlager und Verkauf). Sie ist das unmittelbare Bindeglied zwischen der Produktion und dem Absatzmarkt. Zu den wichtigen Kriterien gehört das termin- und mengengerechte Beliefern der Kunden mit den bestellten Waren. Darüber hinaus gehört ein umfassender Lieferservice und Kundendienst zu den Aufgaben der Absatzlogistik. Da der betriebsexterne Strassentransport eine dominierende Stellung in der Gesamtwirtschaft einnimmt, sind auch die eingesetzten Mittel – im Wesentlichen die Nutzfahrzeuge – von grosser Bedeutung. Wie diese die Logistik und das Transportwesen in Zukunft verändern (können), wird nachfolgend detaillierter betrachtet.
Die Zukunft der City-LogistikSie sind aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken: die gelben, braunen, weissen Kastenwagen, die am Strassenrand oder auch auf der Strasse parken und den gewaltigen Boom an Warenlieferungen offensichtlich machen, besonders beim E-Commerce aus dem virtuellen Raum, wo im wahrsten Sinne des Wortes die vielen (Kunden-)Bestellungen auf die Strasse gebracht werden. Verschiedene Studien haben untersucht, welche Umweltwirkungen und entsprechende Prozessverbesserungen von den Kurier-, Paket- und Expressdiensten ausgehen. Als grösstes Problem stellt sich für die Fahrer bei der Warenzustellung heraus, dass sie kaum einen geeigneten Parkplatz finden. Deshalb stehen die Lieferfahrzeuge oft in Zweierreihe nebeneinander, was nicht immer die Ordnungshüter tolerieren, weil so der fliessende Verkehr behindert wird. Wegen der zunehmenden Bestellungen im Internet haben Händler und Paketzusteller immer mehr Waren auszuliefern und stöhnen daher über die nerventötenden Staus in den Städten – und nicht zuletzt auch den zunehmenden Umweltbelastungen. Für die letzte Meile zum Kunden entscheiden sich heute aber schon immer mehr Lieferanten für schadstoffarme Belieferungslösungen, z.B. mit E-Mobile. Im Elektro-Lieferwagen sehen sie neuerdings auch eine Chance, die Staus elegant zu ʹumkurvenʹ. Ihre Hoffnung heisst "Gesetz zur Bevorrechtigung auf speziellen Verkehrsinfrastrukturen bei der Verwendung elektrisch betriebener Fahrzeuge". So soll unter anderem erlaubt sein, die Busspur des Stadtverkehrs auch für Elektroautos zu öffnen. Dann kämen die Lieferanten im E-Mobil schneller voran, das Ausliefern der Ware würde wesentlich beschleunigt. Vielversprechende Ansätze wie das ISOLDE-Projekt der komplett elektrischen Zustellung sieht man, besser gesagt sah man, in Nürnberg, welches nach dem Ende der Pilotphase vom Paketdienst DPD übernommen wurde. Es ist aber bisher ein Einzelfall geblieben. Hauptursache für den ausgebliebebenen breiten Einsatz der umweltfreundlichen Transporttechnologie bei den KEP-Diensten und ihren Vertragspartnern sind die hohen Investitionskosten, aber auch das fehlende Angebot von logistisch geeigneten Nutzfahrzeugen seitens der etablierten Fahrzeughersteller. Es gelte aber, die innerstädtische Belieferung auf der letzten Meile, die für durchschnittlich 45 bis 65 Prozent der Kosten steht, nachhaltiger zu gestalten. Um hier also mehr Nachhaltigkeit zu generieren, ist vor allem in der Stadtplanung ein Umdenken erforderlich. Es geht um eine Priorisierung des Wirtschaftsverkehrs, etwa durch Einrichtung spezieller Ladezonen samt Stromanschlüssen für gewerbliche Transporter. Alternativ zur direkten Adresszustellung empfehlen Logistik- und Verkehrs-Experten die Einrichtung kooperativ genutzter "Makro-Paketshops", die für die nachhaltige Stadtlogistik grosses Potenzial böten.
Auch die Post-Unternehmen in einigen europäischen Ländern setzen auf Lieferwagen, die zum Tanken an die Steckdose fahren. Noch ist die Zahl jedoch gering: in Deutschland wurden gemäss Unternehmensberichten im letzten Jahr total 79 Fahrzeuge auf Elektrobetrieb umgerüstet bzw. ersetzt. Zugleich probiert die Deutsche Post aber auch ein eigenes Elektrofahrzeug aus, das sie zusammen mit der RWTH Aachen für die Brief- und Paketzustellung entwickelt hat. Der wendigere Streetscooter hat gute Chancen, bis zum bevorstehenden Testende seine Alltagstauglichkeit nachdrücklich zu beweisen und danach als Volumenmodell in grösseren Stückzahlen landesweit eingesetzt zu werden. Und was passiert auf den Überlandstrassen?Für Langstrecken sind Elektro-Lkw wegen ihrer dürftigen Akku-Reichweite bisher noch ungeeignet. Aber inzwischen produziert z.B. Renault den für den Stadtverkehr entwickelten, leichten E-Lieferwagen "Maxity Elektro" mit einer Reichweite von immerhin 100 Kilometern. Auch der Schweizer Startup-Konstrukteur "E-Force" demonstriert mit dem Umbau eines Iveco Stralis zum rein elektrischen 18-Tonner, dass man als Pionier auf dem Sektor E-Lkw hoch hinaus will: Zwei insgesamt 2600 Kilogramm schwere Akkus sollen eine Reichweite bis zu 300 Kilometern schaffen. Im Grossraum Berlin lassen sich die Grossverteiler "Lidl" und "Rewe" gegenwärtig von zwei umgebauten "Stralis" von E-Force beleifern. Nach jahrelangen Diskussionen über umweltfreundliche City-Logistik will der Schweizer Konstrukteur, wie auch andere E-Mobil-Hersteller, ein Zeichen setzen und der E-Mobilität im Transportsektor bei der Bewältigung der letzten Meile auch mit grösseren Fahrzeugen zum Durchbruch verhelfen. "Es geht schliesslich auch um mehr Lebensqualität in der Stadt. Die Elektro-Lkw könnten auch in sensible Sonderzonen fahren, ohne die Anwohner zu belästigen, weil sie weder Lärm noch Abgase erzeugen. Im Vergleich zum Diesel-Pkw sparen diese rein elektrisch fahrenden Lkw pro 10.000 Kilometer 7,5 Tonnen CO2 ein." "Mit der Reichweite und dem maximal sechs Stunden dauernden Laden des Akkus gibt es überhaupt keine Probleme", meint E-Force-Ingenieur und Komponentenspezialist Roger Schwaller. "Bei kürzeren Strecken in der Stadt wird meistens so viel Energie durch das Bremsen zurückgespeichert, dass nur ein minimaler Stromverbrauch anfällt." Nur bei längerer Autobahnfahrt des 87 km/h schnellen Lastwagens steigt der Strombedarf. "Aber die 300 Kilometer Reichweite mit einem komplett geladenen Akku sind trotz des eingebauten Kühlaggregats immer drin, auch 350 Kilometer mit einer Ladung bin ich schon gefahren", sagt Schwaller. Verschiedene technische Analysen zeigen, dass insbesondere im Vorhinein planbare Verkehre mit Tourenlängen bis zu rund 130 km mit leichten Lkw, die mit elektrischen Antrieben versehen sind, durchaus geeignet sind. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass E-Nutzfahrzeuge gegenwärtig wirtschaftlich nur in Ausnahmefällen mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen konkurrieren können. Ursächlich hierfür sind insbesondere die hohen Anschaffungskosten für Fahrzeug und Batterie.
Die „Future-Trucks“Eine Vielzahl Trends, Themen und Technologien verändert die Nutzfahrzeuge der Zukunft. Die Erwartungen der Kunden müssen sich dann wandeln infolge der technischen Neuerungen und aber auch weil regulatorische Anforderungen in vielen Bereichen verschärft und/oder neu definiert werden. Der noch stets steigende Verkehr auf Europas Strassen zwingt schon jetzt zur optimalen Auslastung der vorhandenen Infrastruktur. Ein Weg dorthin bilden moderne und zukunftsweisende Assistenz- und Telematiksysteme, die letztlich im autonom fahrenden Lkw münden. „Die "Future Trucks", von denen zunehmend in einschlägigen Kreisen diskutiert wird, sind Nutzfahrzeuge, die in erster Linie den Fahrer entlasten (sollen), aber nicht ersetzen", sagt Georg Stefan Hagemann, Leiter Vorentwicklung Gesamtfahrzeugkonzepte bei Daimler Trucks. „Der Fahrer soll sich sicher fühlen und gleichzeitig komfortabel unterwegs sein.“ Future Trucks sind mit modernsten Kommunikationssystemen versehen und in ein Netzwerk eingebunden, das künftig kontinuierlich Informationen an und von dem eigenen Truck und anderen Verkehrsteilnehmern sowie Verkehrskontrollsystemen sendet. Fahrer erhalten so in Echtzeit Informationen über Verkehrshindernisse und -situationen ausserhalb des eigenen Sichtbereiches. Das ist Zukunftsmusik, denn noch fehlen dafür gesetzliche Voraussetzungen. Das Thema der autonomen Nutzfahrzeuge wird aber schon in vielen Bereichen realisiert, z.B. auf Baustellen, im Bergbau, in der Landwirtschaft oder als führerlose Transportsysteme auf Flughäfen.
In diesem Zusammenhang ist die Entwicklung des Konvoi-Fahrens zu nennen. Vorgesehen ist hierzu, dass mehrere Fahrzeuge mit Hilfe eines technischen Steuerungssystems in sehr geringem Abstand hintereinander herfahren können, ohne dass die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird. Das Konzept nennt sich ʹPlatooningʹ und bezeichnet einen Fahrzeugkonvoi, bei dem mehrere Fahrzeuge per WLAN-Verbindung aneinander gekoppelt sind. Das erste Fahrzeug wird dabei von einem Fahrer / einer Leitmaschine gesteuert und übernimmt die Kontrolle. Die dahinterfahrenden Fahrzeuge folgen ihm im Windschatten mit automatisiert angepasster Geschwindigkeit. Bremst der erste Wagen, wird bei den restlichen Fahrzeugen ein entsprechendes Bremsmanöver eingeleitet; beschleunigt das erste Fahrzeug, schliessen die hinteren Wagen automatisch auf. Dieses hoch automatisierte Fahren ist allerdings nicht vor 2025 zu erwarten, erklären die Entwickler. Gegenwärtig versucht man erst die Autobahnen zu erobern. Im EU-Projekt SARTRE (Safe Road Trains for the Environment) wird das computergesteuerte Fahren in Kolonnen (Platooning) erforscht, welches bei Scania unter dem Namen COMPANION läuft. Die europäischen Lkw werden künftig aber länger sein, da ist sich Frederik Rasmussen, Politikbeauftragter der Europäischen Kommission, sicher. Seine Brüsseler Behörde hat den Weg dafür geebnet. Ziel ist es, die Lastzüge aerodynamischer und sicherer zu machen, zudem steht dann mehr Raum mit mehr Komfort für den Fahrer zur Verfügung. Solche Fahrzeuge sollen nach 2020 auf die Strasse kommen.
In Deutschland neigt sich der Test mit Lang-Lkw, an dem 49 Unternehmen mit 129 Fahrzeugen teilnehmen, seinem Ende zu. Schon der letzte Zwischenbericht zu diesem Pilotprojekt scheint alle Erwartungen der Branche zu erfüllen. „Die Transporteffizienz der bis zu 25,25 Meter langen und maximal 44 Tonnen schweren Lkw lässt sich um 15 bis 25 Prozent verbessern“, bestätigt Dr. Marco Irzik, Leiter Arbeitsgruppe Lang-Lkw bei der deutschen Bundesanstalt für Strassenwesen. Und Verlagerungseffekte auf die Schiene seien anscheinend aufgrund der zu transportierten Güter und der logistischen Struktur nicht zu erwarten – sofern das zulässige Gesamtgewicht nicht steigt. Vorteile für die LogistikUnabhängig von den Future-Truck-Entwicklungen sind heute schon zahlreiche Neuheiten für die ʹkonventionellenʹ Fahrzeuge auf dem Markt erhältlich. Intelligente Infrastrukturen erhöhen nicht nur die Sicherheit der Fahrzeuge, sondern tragen auch dazu bei, die Kosten der Logistikunternehmen deutlich zu senken. Leerfahrten z.B. können auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Die Nutzfahrzeugbranche spricht bereits von smart logistics, deren Anwendung im Wesentlichen zur Effizienzsteigerung in Transport- und Lagerprozessen beiträgt. Erreicht werden soll dieses Konzept mit Kommunikationstechnologien, die z.B. exakte Prognosen von Lagerbeständen und der Analyse/Optimierung von Verkehrsströmen und Lieferprozessen in Echtzeit durchführen. Die Integration in solche Infrastrukturen hat bereits verschiedenen marktfähigen Telematik- und computerisierten On-Bord-Lösungen begonnen. Im Jahre 2011 waren weltweit 1.4 Millionen Fahrzeuge in ein vehicle-to-vehicle- und/oder vehicle-to-roadside-Netzwerk eingebunden, bis 2020 rechnet die Branche mit über 5 Millionen. Intelligente Fahrerassistenzsysteme können schon heute bei komplexen Rangiermanövern helfen. Per PC-Tablet und neben dem Lkw stehend schafft es der Fahrer mit dem von ZF, Friedrichshafen, entwickelten System, seinen Truck gefühlvoll an die Rampe zu manövrieren oder andere Rangiermanöver durchzuführen. Der Schritt zum autonomen Rangieren – ähnlich wie bei Einparksystemen beim PW – ist, so gesehen, nicht mehr weit. Der Logistik-Bereich profitiert auch davon, dass moderne Nutzfahrzeuge mit einem niedrigeren Leergewicht mehr Fracht transportieren können. Entsprechend weniger Fahrten sind notwendig. Realisierbar sind partielle Gewichtseinsparungen von 20 bis 30 Prozent.
ZusammengefasstNeue Emissionsstandards zielen darauf, die Umwelt zu entlasten. In Zukunft sind striktere Vorgaben bei den CO-Emissionen für die meisten grossen Lkw-Märkte zu erwarten. Effizientere konventionelle Antriebe sowie alternative Kraftstoffe und Antriebssysteme rücken bei der Nutzfahrzeugentwicklung damit weiter in den Fokus. Aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens in den Grossstädten und deren infrastruktureller Erschliessung werden weitere neue Lösungen für die urbane Mobilität an Bedeutung gewinnen. Für Logistikanbieter eröffnet die City-Logistik einen neuen und Wettbewerbs-intensiven Markt. Auch hier gewinnen grüne Konzepte an Bedeutung. Während elektrische und hybride Antriebstechnologien in den nächsten 20 Jahren zunehmend im städtischen Lieferverkehr eingesetzt werden, wird im Bereich der schweren Lkw mittel- bis langfristig keine Alternative zum Verbrennungsmotor existieren. Das Potenzial der Energieeffizienzoptimierung bei Dieselmotoren ist allerdings bei weitem noch nicht ausgereizt. Quellen: ● Fraunhofer-Institut IML für Verkehrslogistik, Dortmund (D), www.iml.fraunhofer.de/de/themengebiete/verkehrslogistik.● Transport-Fachzeitschrift, www.transport-online.de● Kongress 2015: Zukunft der Nutzfahrzeuge, www.eurotransport.de/news● Future Management-Group, D - 65343 Eltville, „Top-Trends für die Nutzfahrzeuge der Zukunft“, www.futuremanagementgroup.com
18.10.2015 | Autor
Hans Joachim Behrend
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