Ersatzteilmanagement
Ersatzteilversorgung und Ersatzteillogistik sind in der Luftfahrt äusserst heikel und teuer. Bei Flugzeugersatzteilen geht es heute vor allem darum, eine hohe,qualitativ einwandfreie Versorgungssicherheit rund um den Globus zu gewährleisten. Fluggesellschaften wie die «Lufthansa» und spezialisierte Wartungsdienstleister wie «SR-Technics» haben dazu ihre Intralogistik, aber auch externe Logistikprozesse nach strengen Logistikkonzepten aufgebaut.
Das Geschäft mit der Flugzeuginstandhaltung ist extrem kostenintensiv. Vereinfacht gesagt: Ein Flugzeug, das am Boden steht, kostet viel Geld. Hingegen erbringt ein Flugzeug, das sich in der Luft befindet, einen Gewinn und einen Beitrag an den notwendigen Unkosten. Angesichts der harten Konkurrenz zwischen den Fluggesellschaften werden deshalb auch die Aktivitäten zur Instandhaltung zunehmend daran gemessen, ob effiziente Logistikkonzepte (z.B. bei der Ersatzteilversorgung) dem Anbieter XY zu einem Wettbewerbsvorteil verhelfen können. Ein grosser Kostenblock ist mit der Lagerung von Flugzeugersatzteilen verbunden. Da die Teilevielfalt bei Flugzeugen gross ist, ist auch das Sortiment an Verbrauchsmaterialien, Ersatzteilen und Triebwerken riesig. Beispielsweise hat SR Technics circa 400000 verschiedene Einzelteile unterschiedlichster Grösse, die es zu bewirtschaften gilt. Der Wert der Teile variiert zwischen einigen wenigen US-Cents bis zu 5 Mio. USD für ein Ersatztriebwerk. Nichtverfügbarkeit von Ersatzteilen oder Verbrauchsmaterialien kann zu einer defekten Rückenlehne, einer fehlenden Fenster-Jalousie oder bis zu einem möglichen Betriebsausfall eines Flugzeugs führen. Ausserdem können aufgrund eines Flugzeugausfalls infolge nicht rechtzeitiger Verfügbarkeit von Ersatzteilen für eine Airline nicht zu unterschätzende Imageverluste entstehen. Hauptkostentreiber… … in Zusammenhang mit dem Flugzeug-Ersatzteilgeschäft sind Faktoren wie die Logistik (Transport, Umschlag, Lagerung) und die Kapitalbindung. Zudem variieren die Reaktionszeiten für die Versorgung von Ersatzteilen erheblich, was wiederum grosse Anforderungen an die Logistik stellt. Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Ersatzteillogistik sind Bevorratungs- und Beschaffungsstrategien. Eine möglichst genaue Bedarfsplanung und -abschätzung sind Voraussetzung. Weil eine hohe Verfügbarkeit einer Flugzeugflotte heute ʺmatch-entscheidend ʺ ist, um im Wettbewerb bestehen zu können, wird auch die Materialverfügbarkeit immer wichtiger. So kann es durchaus sein, dass Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien selektiv bevorratet werden und dabei bewusst zu hohe Lagerbestände in Kauf genommen werden. Wartungsdienstleistungen: eine Mischung aus 3PL und 4PL Was das Dienstleistungsmodell der SR Technics betrifft – das aber auch weitgehend von der Lufthansa und anderen Fluggesellschaften bzw. Flugzeug-Dienstleistern praktiziert wird – so bietet dieses Unternehmen ihren Kunden (Flugzeugbetreibern) eine Kombination von Flugzeug-, Komponenten- und Triebwerksservices sowie technisches Management einer Flugzeugflotte an. Die Dienstleistungen an einem Flugzeug teilt SR Technics in drei Sachbereiche auf:
● Unter dem Titel ʺAircraft Servicesʺ werden Dienstleistungen rund um flugtaugliche, bestens funktionierende Flugzeuge angeboten. Dazu gehören Aktivitäten wie die Lösung von technischen Problemen innerhalb weniger Minuten durch geschulte Mechaniker oder Elektronik-Ingenieure an einem Linienflugzeug direkt auf dem Flugfeld. Es können aber auch 30- bis 40-tägige Standzeiten sein, in denen der Wartungsdienstleister ein Flugzeug komplett auseinander baut, anschliessend wieder zusammensetzt und letztendlich nach einem Testflug dem Kunden wieder übergibt. ● Bei den so genannten ʺComponent Services ʺ geht es um die Versorgung von Ersatzteilen. Bei diesen wird zwischen Teilen unterschieden, die in einem ständigen Kreislauf immer wieder repariert werden müssen, und solchen, die immer öfter auch Verbrauchsmaterialien verlangen. ● Im Bereich ʺEngine Servicesʺ geht es um die Wartung und Reparatur sowie die Ersatzteilversorgung rund um Flugzeug-Triebwerke. Der Bereich der Triebwerke ist eine eigene Welt. Denn in diesem Bereich sind nur Handgriffe und Prozessabläufe nach strengstens reglementierten und kontrollierten Vorgaben durchzuführen. Jeder einzelne Arbeitsschritt, den ein Flugzeugtechniker durchführt, ist in umfangreichen Regelwerken der Europäischen Union (EU), der US-amerikanischen Flugsicherheitsbehörden sowie weltweit Dutzender lokaler Behörden exakt vorgeschrieben. Neben der bestehenden gesetzlichen Dokumentationspflicht tragen insbesondere der (oftmals) hohe Wert der Ersatzteile und die enorme Teilevielfalt zur Komplexität und den hohen Kosten der Instandhaltung bei. Diesen Regelwerken müssen alle Flugzeug-Wartungsunternehmen der Fluggesellschaften und der freien Dienstleister kompromisslos Folge leisten. SR Technics – ursprünglich aus der früheren Swissair entstanden – ist grundsätzlich ein ʹunabhängigesʹ Wartungsunternehmen für zivile Flugzeuge. Das Unternehmen gehört heute weder zu einem Hersteller von Flugzeugen oder Systemen noch zu einer Fluggesellschaft. In logistischen Fachtermini ausgedrückt ist SR Technics eine Mischung aus einem 3PL- und einem 4PL-Dienstleister. So verfügt die Firma einerseits über eigene Assets wie z.B. Werkstätten und Hangars, andererseits tritt SR Technics wie ein 4PL auf, indem sie ʹkomplett neutralʹ als Treuhänderin im Auftrag ihrer Kunden agiert. ---------------------------------------------------------- 4PL = Fourth-Party-Logistics beschreibt in der Logistik einen Dienstleister, der keine eigenen Assets, also keine eigenen Fahrzeuge, Lagerhallen oder anderweitige logistische Ausrüstungen besitzt oder im speditionellen Sinne hiermit handelt, aber die Koordination und Zusammenfassung von Dienstleistungsangeboten verschiedener Logistikdienstleister übernimmt. 3PL = Third Party Logistics Provider sind unternehmensexterne Logistikdienstleister, deren Kernkompetenz die Übernahme von Transport und Lagerung von ihren Kunden ist. Im Unterschied zu 4PL und Application Service Provider (ASP) besitzen 3PL-Dienstleister eigene Assets im Bereich der klassischen Prozesse Transport, Umschlag und Lagerung. 4PL-Anbieter haben demnach keine eigenen LKW und Lagerhallen, sondern stellen nur ihr Know-how zur Verfügung (z. B.: Fuhrparkmanagement). ----------------------------------------------------------- Wartung & Logistik der Lufthansa Technik AG
Die Lufthansa Technik AG ist ein Unternehmen der Fluggesellschaft «Lufthansa» und ist für die Wartung und Überholung von Trieb- und Fahrwerken sowie dem gesamten Flugzeug zuständig. An über 60 Flughäfen in Deutschland und im weltweiten Netzwerk bieten rund 30 operative Tochtergesellschaften einen Komplettservice flugzeugtechnischer Dienstleistungen und VIP-Services an – für die eigenen Lufthansa Flugzeuge und für fremde Gesellschaften. Für alle Services und Wartungsaufgaben spielen die Logistik und die Materialflüsse eine wesentliche Rolle. Der Einsatz leistungsstarker Lagersystemen ist durch die grosse Anzahl der Lagerungsprozesse ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Durch geschickten Einsatz von vertikalen Lagerlift-Systemen optimiert die Lufthansa Technik in Hamburg ihre Lagerorganisation. Am Standort Hamburg wird nach 30000 Flugstunden und rund 25 Millionen Flugkilometern die Generalüberholung der Flugzeuge – und damit der umfangreichste aller flugzeugtechnischen Dienstleistungen – in rund vier Wochen durchgeführt. Es beginnt mit dem so genannten ʺD-Checkʺ. Bis ins kleinste Detail wird bei einem D-Check die gesamte Struktur eines Flugzeuges kontrolliert und anschliessend das Flugzeug weitgehend zerlegt. Jedes ausgebaute Teil begleitet ein Laufzettel mit den Informationen, wann und an welcher Stelle das überprüfte oder reparierte Bauteil von den Werkstätten der Lufthansa Technik – kurz LHT – angeliefert werden muss, damit das Flugzeug pünktlich fertig wird. Um die Montageleistung beim D-Check zu erhöhen, ersetzte die LHT in Hamburg das bisher bestehende Hochregallager durch ein automatisiertes Lager mit fahrerlosen Transportfahrzeugen. Mehrere frei fahrende Hochhubwagen bedienen gleichzeitig die Bahnhöfe in den Instandhaltungswerkstätten, in der Montagehalle für die Kabineneinrichtungen und in der riesigen Flugzeug-Überholungshalle. Dort steht jetzt jeweils ein vertikales «Hänel» Lean-Lift-Lagersystem für die Flugzeugkleinteile. Die in Poliboxen liegenden Kleinteile, die im ehemaligen Hochregallager auf Paletten gestapelt waren, sind in den Lean-Liften untergebracht. Mit den modernen Lagerliftsystemen von Hänel wird effizient das ehrgeizige 26-Tage-Ziel für einen kompletten D-Check unterstützt. Denn durch die dezentrale Lagerstrategie konnten die langen Transportwege sowie Wartezeiten und die Anzahl der Transporte zwischen den Werkstätten und den Montagehallen deutlich reduziert werden.
Die angeforderten Artikel in den geschlossenen Poliboxen, wie etwa Schrauben, Dichtungen, unterschiedliche Kunststoff-Formteile aus Polycarbonaten usw. werden im Lift schnell zum Kommissionierer an der Entnahmestelle befördert. Dabei werden die Zugriffszeiten von häufig aufgerufenen Artikeln durch die Lagerverwaltung automatisch optimiert. Mit der höhenoptimierten Vertikallagerung vereinen die zuverlässigen Hänel Liftsysteme in einem durchgängigen Konzept Lagerung und Transport auf engstem Raum und sind damit universell einsetzbar. Dezentrale Lean-Lift-Anlagen Alle Lean-Lifte in der Hauptabteilung WD der Flugzeugüberholung sind mit kompakten Touch-Screen-Steuerungsterminals von Hänel ausgerüstet. In der Hauptabteilung WT der Triebwerksüberholung wurden acht Lean-Lift-Systeme und ein Rotomat Industrielift von Hänel zusätzlich mit Barcode-Scannern und einem Lagerverwaltungs-Softwarepaket ausgeliefert. Das an Grossraum-Jets (Jumbos) angedockte, dreigeschossige Wartungsgerüst in der Wartungshalle (Hangar) ist mit einer Stahlbaubühne verbunden, an deren Ende sich ein etwa zehn Meter hoher Hänel Lean-Lift befindet. Die im Rumpfbereich des Jets ausgebauten Kleinteile werden sofort im Lean-Lift eingelagert. Und falls eine Reparatur oder Wartung notwendig ist, informiert der Techniker die Mechaniker in den Instandhaltungswerkstätten, die diese Bauteile in der Entnahmestelle im Erdgeschoss abholen und nach erfolgter Überholung dort auch wieder einlagern. Zusätzlich benötigte Ersatzteile werden auch in diesem Lagerlift bereitgestellt. Eingelagert ist überdies auch Verbrauchsmaterial für den schnellen Zugriff, wie etwa Klebe- und Anbindebänder, Dustcaps, Filter, Knieschoner und Schellen. Im Erdgeschoss befindet sich die Entnahmestelle auf der Vorderseite und im ersten und zweiten Obergeschoss jeweils auf der Rückseite. So kann auch Material in die einzelnen Geschosse transportiert werden. An jeder Entnahme gibt es ein Schnelllauftor zum Schutz gegen Staub und Schmutz und ein modernes Steuerungsterminal mit Touch-Screen. Damit sind Ein- und Auslagerungen an allen Entnahmestellen gleichzeitig möglich. Diese Industrielifte ermöglichen einen wesentlich effizienteren Arbeitsablauf: Auf kleinster Grundfläche entsteht ein Maximum an Lagerkapazität, die Lifte nutzen die vorhandenen Raumhöhen optimal. Kostenintensive Lagerflächen und Arbeitszeit werden dadurch eingespart. Aircraft Engine Maintenance Flugzeugtriebwerke unterliegen grossen Belastungen. Bei diesen gewaltigen Kräften sind die Triebwerksschaufeln einem ständigen Verschleiss ausgesetzt. In Hamburg sorgen deshalb rund 1800 LHT-Mitarbeitende für die Wartung und Instandhaltung von jährlich etwa 300 Flugzeugtriebwerken. Die einzelnen Triebwerkskomponenten werden während der Instandhaltung in acht «Hänel» Lean-Liften sicher und geschützt zwischengelagert. Zur Lagerung der Turbinenwellen wurde ein Hänel Rotomat-Industrielift speziell ausgerüstet. Mit einer ausgeklügelten Verschiebemechanik können die Tablare mit schweren Triebwerksteilen bequem auf einen Transportwagen abgestellt werden.
Einerseits dienen die Lean-Lifte zur Lagerung der aus rund 10000 Einzelteilen bestehenden Triebwerkskomponenten. Andererseits werden mit den modernen Lagerliften auch Einzelaufträge abgewickelt, wie etwa die Überprüfung und Reparatur eines Turbinenschaufelsatzes, die anschliessend zur Auslieferung in den Lean-Liften bereitgestellt werden. Alle Lagerliftsysteme sind mit jeweils einem Steuerungsterminal und Barcode-Scannern ausgerüstet, wobei das Lagerverwaltungspaket vom Hänel Partner ʺKugler Consultingʺ über die standardisierte Schnittstelle im SAP R/3 Hostsystem der Lufthansa Technik elektronisch integriert ist. Transparent und ohne Papier wird damit der Lagerbestand und der Warenfluss automatisiert im Hostsystem elektronisch erfasst und abgewickelt. Durch die im SAP hinterlegten Part- und Serial-Nummern kann jedes eingelagerte Flugzeugteil direkt auf die Herstellungscharge zurückverfolgt und der zugehörige Lagerplatz unmittelbar anzeigt werden. Im SAP erkennt der jeweilige Mitarbeitende in der Arbeitsvorbereitung beispielsweise wie viele Schaufeln eines kompletten Triebwerksatzes vorrätig sind und welche noch fehlen oder zu bestellen sind. Optimaler Materialfluss gewährt guten Service In der LHT-Abteilung ʺAircraft-Engine-Maintenanceʺ können durch den automatisiertem Materialfluss bis zu 25000 elektronische Buchungen täglich durchgeführt werden. Ein besonders wichtiger Aspekt beim Betrieb solcher Systeme ist daher auch die Wartung und der Service, denn IT-Ausfälle kann sich Lufthansa Technik nicht leisten. Durch effektive Überwachungs- und Diagnosesysteme sowie die Visualisierung der Anlagen, um innerhalb kürzester Zeit Störungen zu beheben, gewährleistet Lifthersteller Hänel einen 24-Stunden-Service an über 300 Tagen im Jahr. Eine einzigartige Besonderheit ist hierbei die Ausstattung der Liftsysteme mit dem Notbetriebssystem ESB und einem zweiten Sicherheitskreis zur Überbrückung der wichtigsten elektronischen Funktionen im Störfall. Dadurch bleibt der Betrieb der Geräte weitgehend aufrechterhalten bis ein Servicetechniker vor Ort ist. Fazit: Während der Revisionszeit der Flugzeuge und/oder deren Komponenten ist der Schutz der empfindlichen Flugzeugkomponenten vor Beschädigungen und Schmutz besondere Beachtung zu schenken. Der strategische Einkäufer der Lufthansa Technik, Dr. Bernd Röhl, bringt es auf den Punkt: „Mit den Hänel Lagerlift-Systemen konnten wir unsere Abläufe im Lager optimieren, die Kosten für die Lagerhaltung reduzieren und die Montageleistung effektiv steigern. So halten wir Schritt mit einem der am schnellsten wachsenden MRO (Maintenance-, Repair-, Overhaul-Leistungen)-Märkte für die Instandhaltung, Reparatur und Betrieb von Flugzeugen.“
Quellen: Dr. Acél & Partner AG, Beratung für Logistik-Management, CH-8048 Zürich, www.acel.ch SR-Technics AG, CH - 8058 Zürich Airport, www.srtechnics.com Hänel Büro- & Lagersysteme, CH-9450 Altstätten SG, www.haenel.ch Lufthansa Technik, Logistik Services, D-22336 Hamburg, www.lufthansa-technik.com
03.11.2013 | Autor
Hans Joachim Behrend
-> Drucken
|
MEHR ZU DIESEM THEMA
TOP ARTIKEL
TOP AKTUELLsoeben aufgeschaltet
MEIST GELESEN
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|