Stapler-Navigation
Stapler sehen, was sie tun. Klingt vielleicht etwas eigenartig, entspricht aber genau dem Sachverhalt. STILL, der namhafte Flurförderzeug-Hersteller, hat in einem Produktionsunternehmen für Kunststoff-Verpackungen die Stapler mit einem ʺsehendenʺ Navigationssystem ausgerüstet, das den Staplerfahrer im Einsatz ganz entscheidend und effizient unterstützt. Hier hat GPS keine Chance: Das Innere von Hallen und andere geschlossene Räume (Keller, Tunnel usw.) ist für die Signale der Satellitenortung meistens unerreichbar. Diese physikalischen Grenzen hatten bislang auch das Steuern von Staplerflotten eingeschränkt. Der exakte Aufenthaltsort einzelner Flurförderzeuge war für Logistik- und Versandleiter nicht verfügbar – von einer Spurverfolgung in Echtzeit ganz zu schweigen. Markierungen ʺsehenʺ und zur Standortbestimmung verwenden Jetzt bietet Still jedoch unter dem Namen "iGoCam" ein dreidimensional arbeitendes Ortungssystem, das sämtliche Stapler bezogene Abläufe in manuell geführten Lagern automatisieren und optimieren kann. Erstmals zum Einsatz kommt es bei den Alpla Werken am Standort Baesweiler in Nordrhein-Westfalen. Dort betreibt der Hersteller von Kunststoffverpackungen neun Gabelstapler, die Still im Rahmen eines Full-Service-Leasing-Vertrags geliefert hat. Die Stapler sind mit iGoCam ausgestattet – zu erkennen an einer Heck-Kamera, einem Fahrzeugterminal mit grossem Touchscreen, sowie einem robusten Höhensensor am Gabelträger.
"Mit Hilfe der Kamera können unsere Stapler sehen", berichtet Alpla-Logistikleiter Felix Wagner. Das Prinzip des technischen "Sehsinns" ist verblüffend einfach: Als Hauptorientierung für die Positionsbestimmung dienen die am Hallenboden befindlichen Bezeichnungen der Lagerplätze, welche auch von den Staplerfahrern als Orientierungshilfe bei der Manipulation von Waren verwendet werden. "Die Kamera erkennt die Bezeichnung im Vorbeifahren und bestimmt daraus die aktuelle Position des Staplers, welche laufend an das Lagerverwaltungssystem gemeldet wird", so Wagner. Zusätzlich registriert die Kamera kontrastreiche Strukturen wie z.B. Reifenspuren oder Verschmutzungen auf dem Hallenboden und nutzt dieses ebenfalls zur exakten Ortung des Staplers. Die eingesetzte Technik ist völlig wartungsfrei und kann zudem die vorhandene Lagerstruktur nutzen – aufwändige Umbauten entfallen. Höhensensor für dritte Dimension Das Lager ist über eine automatische Förderstrecke direkt an die Produktion angeschlossen. Die palettierte Ware muss von der Fördertechnik abgenommen und auf den richtigen Lagerplatz transportiert werden. Dazu sind acht Still-Fahrzeuge vom Typ RX 20 und RX 60 in drei Schichten pro Tag im Einsatz, um pro Tag rund 40 bis 50 Lkw zu beladen.
Die entsprechenden Produktinformationen sendet das Warenwirtschaftssystem von Alpla direkt an das Lagerverwaltungssystem ʺSilwaʺ des italienischen Anbieters Stesi. Das LVS bestimmt für jede eingehende Palette den Lagerplatz und sendet den entsprechenden Transportauftrag an einen der acht Hallenstapler. Dank iGoCam kann Stesi dabei auf die exakten Positionsdaten aller Fahrzeuge zugreifen und damit zeit-, kosten- und wegeoptimiert planen – Leerfahrten werden minimiert. Der integrierte Höhensensor am Gabelträger überwacht die "dritte Dimension" und alarmiert den Fahrer, wenn eine Palette versehentlich in falscher Höhe entnommen oder eingelagert werden sollte. Null Fehler, Scannen entfällt, hohes Qualitäts-Handling Das Ortungssystem iGoCam überzeugt auch durch seine grafische Unterstützung: So wird die aktuelle Einsatzlage aller Flurförderzeuge bei Bedarf auf einer dreidimensionalen Karte angezeigt. Bei Alpla steht diese Ansicht nicht nur im Lagerleitstand, sondern auch auf einem grossen Wandbildschirm im Lager zur Verfügung. Ebenfalls gut gelöst ist die Anzeige der aktuellen Aufträge am Staplerterminal: Eine grafische Navigationshilfe auf dem Farbdisplay gibt die Informationen eindeutig an den Fahrer weiter. Richtungspfeile geben die Richtung vor, so dass Suchzeiten der Vergangenheit angehören. Grüne und rote Balken quittieren zudem die richtigen Manöver oder warnen umgehend vor Fehlern.
Die Lösung sorgt neben einer optimierten Einsatzplanung aber auch für eine deutliche Beschleunigung der Vorgänge, denn das Scannen von Barcodes auf den Paletten beim Aufnehmen und Abstellen entfällt jetzt völlig. Bei zu 5.000 Palettenbewegungen pro Tag ist dies ein erheblicher Zeitgewinn. "Mit Hilfe von iGoCam können wir uns sicher sein, dass unsere Fahrer am richtigen Ort in der richtigen Höhe die richtigen Paletten bewegen – und das völlig automatisch ohne aufwendige Scanvorgänge", sagt Wagner. Dies gilt für das Ein- und Auslagern der Paletten, so dass Wagner die Lieferqualität seiner Abteilung auf nahezu 100 Prozent steigern konnte. Damit verknüpft ist ein weiterer Vorteil der Lösung. Denn die extrem hohe Lieferqualität sorgt bei Alpla für eine maximale Transparenz aller Bestände. Und so ganz nebenbei ermöglicht iGoCam eine durchgängige Chargenverfolgung. Darüber hinaus erfolgt durch die automatische Plausibilitätsprüfung bei jeder Warenmanipulation systemseitig eine permanente Inventur, welche damit den bisherigen Inventuraufwand bei Alpla drastisch reduziert. Noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.
Weitere technische Möglichkeiten von iGoCam und der damit verbundenen ständigen Ortung sämtlicher Stapler sind unter anderem spezielle Fahrerassistenzsysteme, mit denen Staplerfahrer vor drohenden Kollisionen mit anderen Staplern gewarnt werden können. Gleiches gilt für automatische Geschwindigkeitsreduktion in bestimmten Lagerbereichen oder die ebenfalls automatische Steuerung von Rolltoren. Bis solche Funktionen jedoch bei Alpla eingeführt werden, konzentriert sich Logistikleiter Felix Wagner erst einmal auf die umfassende Einführung der "sehsinnlichen Stapler" an weiteren Standorten des Verpackungsherstellers. Kontakte: ● STILL GmbH, D - 22113 Hamburg, www.still.de ● Still AG, Industriestrasse 50, CH-8112 Otelfingen
03.07.2013 | Autor
Hans Joachim Behrend
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