Intralogistik

Anlagenmodernisierung – oftmals unverzichtbar

Voll- und teilautomatisierte Materialflussanlagen können durch den schnellen Technologiewandel rasch in die Jahre kommen und den geforderten Marktbedürfnissen nicht mehr genügen. Da diese Anlagen oftmals zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beitragen, ist ein ʺUpdatenʺ bzw. Modernisieren quasi unerlässlich.

 Das automatisierte Shuttle-Lager von Knapp

Hiervon betroffen sind unter anderem Logistikdienstleister, die im Markt als Full-Service-Provider agieren. Die «Hermes Fulfilment GmbH» hat das frühzeitig erkannt und umgehend entsprechende Modernisierungsaufgaben eingeleitet.

  

  Fulfilment – zu Deutsch Erfüllung – bezeichnet in der Logistik die Gesamtheit aller Aktivitäten, die nach dem Abschluss eines Auftrags zur Belieferung des Kunden dienen. Fulfilmentaufgaben werden in der Regel von spezialisierten Logistikdienstleistern übernommen. Der Begriff taucht meistens im Zusammenhang mit B2C-Aktivitäten, aber auch im B2B-Bereich auf, wobei hier die logistischen Kernaufgaben im Vordergrund stehen. Der Logistikdienstleister übernimmt also alle jene Aufgaben, die nach einer Produktbestellung zu erbringen sind. Man spricht daher auch vom Business Process Outsourcing, weil diese Aufgaben für den Produkthersteller wenig wertschöpfend sind und deshalb gern an spezialisierte Dienstleister vergeben werden. Zu den bekanntesten Fulfilment-Dienstleister zählen u.a. Unternehmen wie DHL, Kühne + Nagel, Amazon, Arvato, Fiege, Hermes und einige andere.

 Die zur Otto Gruppe gehörende Her­mes Fulfilment GmbH, Hamburg (D), agiert als innovativer Full-Service-Provider und bietet konzernzugehörigen und exter­nen Unter­nehmen massgeschneiderte Fulfilment­Dienstleistungen entlang des gesamten Warenflusses im Versandhandelsmarkt an. Hermes Fulfilment (HF) versteht sich als neutraler Dienstleister im Markt, der nicht nur für die Otto Gruppe, son­dern auch für externe Kunden Logistikdienstleistungen integriert.

 Knapp Shuttle OSR im Einsatz

Mit ihrer langjährigen Handelserfahrung in einem grossen Sortimentsbereich managt die HF die gesamte Prozesskette und bietet ein umfassendes Dienstleistungsportfolio, das Web-Shop-Entwicklung, -Management und -Betrieb, Call Center, Bonitätsprüfung, Inkassodienstleistungen, Debitoren- und Retourenmanagement ebenso umfasst wie Beschaffung, Lagerhaltung, Kommissionierung und Distribution. Aus diesen Leistungen lassen sich individuell auf den Kunden zugeschnittene Fulfilment-Pakete schnüren, in die zudem bestehende Services der Auftraggeber integriert werden können. Das Spektrum an Waren reicht von Handys und Camcordern über Textilien und Schmuck bis hin zu Möbeln und Waschmaschinen. Bei einer Sortimentsbreite von etwa einer Million Artikeln bewegt Hermes pro Jahr rund 260 Millionen Teile, vorwiegend für Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie. HF verfügt über vier eigene Standorte in Deutschland und beschäftigt rund 5 000 Mitarbeitende. Die Entwicklung von integrierten, zukunftsorientierten Logistiklösungen ist das Kerngeschäft des HF-Unternehmens.

 Retourenmanagement

  Was für viele Unternehmen nur als eine Art zusätzliche ʹPflichtübungʹ gilt, ist eine Kernkompetenz von Hermes: die so genannte ʹRetourenabwicklungʹ. HF übernimmt für sei­ne Kunden das komplette Retouren­management und erledigt sämtliche damit zusammenhängende Aufgaben, von der Retourenannahme über die Produktaufbereitung bis zur Neuverpackung.

  Um das Retourenmanagement für seine Kunden weiter zu optimieren entschied sich der Logistikdienstleister schon vor einiger Zeit, Teilprozesse des Retourenmanage­ments am Standort Haldensleben bei Magdeburg (D) mit einem modernen Shuttle-System des Logistikkomponenten-Herstellers Knapp Deutschland GmbH, 63150 Heusenstamm, zu automatisieren. Davor wurden fast alle wiederverkaufsfähigen Retouren in dem bestehenden Kommissionierlager ma­nuell eingelagert und neue Aufträge mit Kommissionierwagen bereitgestellt.

 Das Herzstück des neuen automati­schen Retourenlagers mit einer Lager­kapazität von rund 1 Mio. Artikeln bildet nun das Shuttle-System OSR-Shuttle von Knapp. Es versorgt 30 Arbeitsplätze auf zwei Ebenen, wobei in Spitzenzeiten bis zu 15 000 Stück pro Stunde kom­missioniert werden. Das System bietet Lagerplatz für rund 176000 Stellplät­ze aufgeteilt auf 30 Gassen und kann 2000 Retouren-Mischbehälter pro Stunde direkt vom Wareneingang kommend übernehmen und einlagern. 

 Knapp Shuttle-Lagersystem OSR

Hochregallager-RGBs modernisiert

  Am Logistikstandort in Haldensleben betreibt Hermes Fulfilment unter anderem auch ein riesiges Hochregallager. Dieser Lagerbereich ging Ende 1994 mit 31 Gassen und 17 speziellen Regalbediengeräten (RBG) mit Umsetzbrückentechnik erstmals in Betrieb. In einer zweiten Bauphase im Jahr 2000 erweiterte der Dienstleister das Hochregallager um weitere 30 Gassen und 16 Regalbediengeräte. Insgesamt erhöhte sich dadurch die Lagerkapazität auf etwa 1,2 Millionen Kartonstellplätze.

   Um auch in Zukunft eine hohe Verfügbarkeit der Logistikanlage zu gewährleisten und neue technische Möglichkeiten für den Betrieb nutzen zu können, entschloss sich HF, das Lagersystem stufenweise zu modernisieren und zu optimieren und beauftragte den Schweizer Logistikspezialisten Swisslog AG in der ersten Projektphase mit der Entwicklung eines Modernisierungskonzepts für die Regalbediengeräte. „Da es sich bei den vorhandenen RBG um technisch sehr komplexe Geräte handelte, war die AufgabensteIlung entsprechend anspruchsvoll", berichtet Swisslog-Verkaufsprojektleiter Uwe Kroman. „Zudem mussten kompromisslos die individuellen Anforderungen der speziellen Ein- und Auslagerprozesse von Hermes Fulfilment  berücksichtigt werden.“

 Von Bedeutung für das Modernisierungskonzept ist auch, dass die RBG im Hochregallager nicht an eine einzelne Gasse gebunden, sondern durch das Umsetzbrückenkonzept variabel einsetzbar sind. Somit ist es möglich, dass jedes RBG alle Gassen innerhalb eines bestimmten Lagerabschnitts bedienen kann. Eine weitere Besonderheit: Diese RBG arbeiten ohne Ladehilfsmittel wie Paletten oder Tablare. Stattdessen verfügen die Geräte über vier mitfahrende Fördertechnikebenen sowie ein Greifsystem, mit denen sie jeden Karton einzeln aufnehmen können. Die Ein- und Auslagerbewegungen im Hochregallager sind deshalb als Sammelfahrten organisiert und daher eng miteinander verknüpft. 

 Hochregallager bei Hermes Fulfilment GmbH

Neue Technologien und optimierte Prozesse

  Das von HF bewilligte und dann von Swisslog umgesetzte Modernisierungsprojekt umfasst zum einen den kompletten Austausch der Steuerungstechnik, d.h. die vorhandenen S5-Steuerungen der Regalbediengeräte wurden durch aktuelle S7 -Steuerungen ersetzt. Zum anderen erneuerte Swisslog auch die Servoantriebe für Fahr- und Hubbewegungen und richtete neue Schaltschränke für die neue Steuerungstechnik ein.

 Neben dem Fitmachen der Regalbediengeräte wünschte Hermes Fulfilment auch die umfangreiche Kartonförderanlage, welche die Neuware ins Hochregallager sowie die ausgelagerten Kartons zum Kommissionierlager transportiert, auf den neusten Stand der Technik gebracht wird. Die Anlage mit drei Förderstrecken übereinander, verfügt über fast 600 Antriebe und über 500 pneumatischen Ausschleusern. Sie wurde bisher ebenfalls mit S5-Steuerungen betrieben, die Swisslog gegen moderne Systeme austauschte.

 Die dritte AufgabensteIlung im Rahmen des Modernisierungsprojekts bestand für Swisslog darin, die Ein- und Auslagerkapazitäten des Hochregallagers deutlich zu erhöhen, um den Warendurchsatz in Haldenleben weiter als bisher zu steigern. Der Auftrag umfasste unter anderem die Lieferung und Integration von sechs zusätzlichen Regalbediengeräten, den Einbau von zwei speziellen Wartungszonen für die RBG in der Regalanlage sowie die Schaffung eines Bypass' für die beschleunigte Rückführung von Überläuferkartons auf der Verbindungsbrücke.

 Highlights zur Erhöhung des Durchsatzes und der Verfügbarkeit

  Gemeinsam haben HF und Swisslog ein umfangreiches Modernisierungsprojekt in Haldensleben umgesetzt: Die Steuerungen von zehn komplexen Regalbediengeräten (RGB) und einer Behälterförderanlage wurden dazu stufenweise auf den neusten Technologiestand gebracht. Durch gezielte Erweiterungs- und Optimierungsmassnahmen erhöhten die Projektpartner gleichzeitig die Durchsatzkapazitäten und die Verfügbarkeit der Anlage. In Spitzenzeiten finden heute im Hochregallager täglich bis zu 30.000 Einlagerungen und bis zu 30.000 Auslagerungen statt.

 Ein Standort der Hermes- Unternehmen

Technisch besonders anspruchsvoll war auch die Umsetzung einer Optimierungsstrategie für Blockadesituationen. Die einzelnen Artikel sind bei HF jeweils einer Förderstrecke fest zugeordnet. Dies führte bisweilen dazu, dass bei Ausfall/Störung einer Förderstrecke die Ein- und Auslagerung komplett gestoppt wurde. Swisslog entwickelte deshalb für Hermes Fulfilment ein alternatives Lösungskonzept: Wenn eine Förderebene ausfällt, geben die RBG zunächst die Kartons ab, die für die beiden noch funktionsfähigen Förderebenen bestimmt sind. Anschliessend übernehmen sie mit den frei gewordenen Plätzen einen neuen Ein- und Auslagerauftrag. Die Kartons für die ausgefallene Förderstrecke werden weiterhin mitgeführt, bis die blockierte Strecke wieder zur Verfügung steht.

  Neben der innovativen Lösung für Blockadesituationen setzte Swisslog auch eine Optimierungsstrategie für die Bestückung der Einlagerungsstrecken um. Darüber hinaus wurden zahlreiche Änderungen und Erweiterungen am Materialflussrechner und an der Anlagenvisualisierung durchgeführt, um sowohl bereits vorhandene als auch die neuen Funktionen und Strategien abzubilden.

  Schliesslich entwickelten Swisslog und Hermes Fulfilment auch das Sicherheitskonzept der Anlagen weiter. Zum einen wurden neue Personenschutz- Lichtschrankengitter zur Überwachung der Gassenzugänge im Umsetzbrückenbereich eingerichtet. Zum anderen wurden sowohl die neuen als auch die vorhandenen Steuerungssysteme mit fehlersicheren F-CPUs von Siemens ausgestattet. Notaussignale können so direkt in die zentrale Steuerung einbezogen werden. 

 RGBs gibt es in vielen Variationen

Was waren die Herausforderungen in diesem Projekt?

  Nebst den hochstehenden Technikanwendungen stellte sich für Swisslog die Projektrealisierung bei laufendem Betrieb als eine besondere Herausforderung dar. Da die Förderanlagen im erweiterten Zweischichtbetrieb unter der Woche fast ohne Unterbrechung laufen, standen nur sehr enge Zeitfenster an den Wochenenden für die Modernisierung zur Verfügung. Doch durch gemeinsam entwickelte konzeptionelle Abläufe sowie detaillierte Pflichtenhefte und Terminpläne sorgte das Projektteam für eine reibungslose Test- und Umstellungsphase und ermöglichte eine termingerechte Inbetriebnahme.

  Mit allen durchgeführten Massnahmen hat Hermes Fulfilment nun die logistischen Prozesse am Standort Haldensleben umfassend optimiert, die Anlagenleistung erhöht und die Verfügbarkeit für die nächsten Jahre gesichert. Swisslog sowie Knapp haben dabei in allen Projektphasen ihre Kompetenz als erfahrener Lösungsanbieter unter Beweis gestellt.

 

Quellen:

KNAPP Logistiksysteme GmbH,  Schulhausstrasse 6,  CH - 4800 Zofingen,  Tel. 0041/62 751 27 11,  eMail: customerservice@knapp.com

Swisslog AG,  Webereiweg 3,  CH-5033 Buchs / Aarau, Tel. +41 62 837 41 41,  eMail: logistics@swisslog.com

Hermes Fulfilment GmbH,  Bannwarthstrasse 5,  D - 22179 Hamburg,  www.hermesworld.com

 

17.12.2012 | Autor Hans Joachim Behrend   -> Drucken

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