Schiene-Strasse

Für mehr Verständnis dieser Problematik

 
Söhnke Behrends auf einem Güterbahnhof  

Das hohe Güteraufkommen im Strassenverkehr führt regelmässig zu einer Überlastung der StrassenInfrastruktur. Der Bedarf einer Entlastung durch eine Verlagerung auf den Schienengüterverkehr ist überall hörbar. Dieser Bedarf wird auch durch die Konkurrenzsituation zwischen dem Strassengüterverkehr und den Schienengüterverkehrs-Betreibern sowie den Interessen der Bevölkerung genährt. Es sollen vor allem die negativen Begleiterscheinungen des LKW-Einsatzes (Schadstoffausstoss, Staus und Lärm) eliminiert werden. Politik und Behörden sind deshalb gefordert, den Güterverkehr auf der Schiene neu auszurichten. Wesentlich für die Effizienz beider Verkehrsträger wird sein, wie klug die Standorte für die Umladestellen (früher allgemein als Güterbahnhof bezeichnet) zwischen Strasse und Schiene ausgewählt werden, um z.B. das Schweizer Transportmodell der Bahn ʺCargo Domizilʺ effizient und attraktiv auszurichten.

Die Verladestellen des Schienengüterverkehrs befinden sich allerdings noch oft in zentralen Stadtlagen. Um ein nachhaltiges Verkehrssystem zu erreichen, bei dem wesentlich mehr auf der Schiene anstelle auf der Strasse transportiert wird, müssen diese Verladestellen in Stadtrandgebiete verlegt werden. Dies hat Sönke Behrends in seiner Dissertation herausgearbeitet, in der er den Zusammenhang zwischen Stadtlogistik und Güterfernverkehr untersucht hat.

Verkehrswachstum auf der Schiene erfordert Veränderungen in den Städten

Mitten in der Stadt - der Güterbahnhof von Zürich Güter- und Rangierbahnhof zerschneiden die Stadt

Ein Schlüsselfaktor für ein nachhaltiges Verkehrssystem ist eine deutliche Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene. Während die Versender und Empfänger des Schienengüterverkehrs (Industrie, Spediteure, etc.) sich in den Stadtrandlagen mit gutem Anschluss an das Fernstrassennetz befinden, liegen die Verladebahnhöfe aus historischen Gründen jedoch oft noch in zentralen Stadtlagen in der Nähe der Personenbahnhöfe. Der erforderliche Verteilerverkehr mit dem Lkw vom Versender zum Verladebahnhof bzw. vom Verladebahnhof zum Empfänger findet also im städtischen Verkehrsnetz statt. Im Vergleich zum reinen Lkw-Transport führt eine Verkehrsverlagerung von der Strasse auf die Schiene daher zu einer erhöhten Verkehrsbelastung in den Städten, sodass trotz einer wesentlich besseren Gesamtumweltbilanz des Schienengüterverkehrs, in den Städten Luftverschmutzung, Lärm und Staus zunehmen können.

Wie kann also dieses Dilemma zwischen lokalen Mehrbelastungen und globalen Einsparungen gelöst werden? Dies hat Sönke Behrends in seiner Dissertation an der Technischen Universität Chalmers in Göteborg untersucht.

Kommunale Stadtplaner und Politiker müssen in der Stadtplanung die Bedürfnisse des Schienengüterverkehrs stärker berücksichtigen. Dies ist notwendig, um erstens eine bessere städtische Lebensqualität zu erreichen. Zweitens, um die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehr zu verbessern, für den die schwer erreichbaren Verladestellen in den städtischen Bereichen eine bedeutende Barriere darstellen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass die Verladestellen in die Stadtrandlagen verlagert werden sollten. Dort kann die für einen effektiven Betrieb notwendige Infrastruktur geschaffen werden. Die negativen Auswirkungen der unvermeidlichen Verkehrsbelastung werden aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte in den Stadtrandlagen minimiert.

Es mangelt an Kompetenz

Verschiedene europäische Städte (z.B. Stockholm, Göteborg, Hannover) sind Beispiele für die städtische Problematik des Schienengüterverkehrs. Zwar haben diese ebenso wie viele andere Städte auch langfristige Pläne erarbeitet, um die Verladestellen aus den innerstädtischen Bereichen in Stadtrandlagen zu verlagern, aber es bestehen gravierende Hindernisse in der Umsetzung wie z.B. die erheblichen Kosten für notwendige Infrastrukturmassnahmen sowie lokale Proteste zu den neuen Verladestellen.

 
Ein modernes Umschlagterminal  

Neben einer Verlagerung der Verladestellen spielt die städtische Verkehrsplanung generell eine entscheidende Rolle für städtische Lebensqualität und effektiven Güterverkehr. Ein grosses Problem ist daher das zu geringe Wissen der lokalen Entscheidungsträger in Fragen des Logistik- und Güterverkehrs. „Die Stadtplaner verfügen nur selten über eine ganzheitliche Sichtweise", meint Sönke Behrends. „Die wirtschaftlichen Interessen werden getrennt von den sozialen und Umweltinteressen behandelt und es gibt keine langfristige Strategie, um diese Interessen auszugleichen."

In seiner Doktorarbeit hat Sönke Behrends ein Modell entwickelt, welches lokalen Stadtplanern helfen kann, eine langfristige und ganzheitliche Strategie für ein nachhaltiges Verkehrssystem zu entwickeln. Das Modell zeigt die komplexen Zusammenhänge der verschiedenen gesellschaftlichen Interessen, und wie diese von lokalen Beschlüssen beeinflusst werden. Das Modell zeigt auch die wirtschaftlichen Vorteile einer auf den Schienengüterverkehr angepasste lokale Verkehrsplanung. Für die Städte ist daher die Berücksichtigung des Schienengüterverkehrs in der strategischen Planung keine zusätzliche Belastung, sondern eine Chance für eine langfristige nachhaltige Entwicklung.

 
   

Neben verminderter Luftverschmutzung und weniger Staus kann eine auf den Schienengüterverkehr angepasste Stadtplanung die Erreichbarkeit der Stadt im nationalen und europäischen Verkehrsnetz verbessern. Dies ist wichtig für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung der Regionen bzw. der so genannter Logistikcluster, da der Zugang zu nachhaltigen Transportdiensten in Zukunft deutlich an Bedeutung zunehmen wird.

«Cluster» sind ein Netzwerke von Produzenten, Zulieferern, Dienstleistern mit einer gewissen regionalen Nähe zueinander, die über gemeinsame Austauschbeziehungen entlang einer Wertschöpfungskette entstehen. Als ein «Logistikcluster» wird somit eine regionale Konzentration von Logistikdienstleistern definiert, die zusammen mit verladenden Industrie- und Handelsunternehmen eine effektive sowie effiziente logistische Leistungserstellung ermöglichen. Darüber hinaus schafft die Nutzung gemeinsamer Ressourcen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Beziehungen nachhaltige Wettbewerbsvorteile für die Unternehmen und den Standort an sich. Darin eingebunden ist natürlich das Beziehungssystem zwischen Schiene und Strasse. (beh)

Weitere Informationen

Sönke Behrends, Technology Management and Economics, Chalmers University of Technology, sonke.behrends@chalmers.se

 

 

28.02.2012 | Autor Hans Joachim Behrend   -> Drucken

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