Heizungstechnologie
Die Schweizer HEXIS AG in Winterthur gehört zu den führenden Unternehmen im Bereich der Hochtemperatur-Brennstoffzellen-Technologie - (SOFG - Solid Oxide Fuel Cell) für stationäre Anwendungen im Bereich von weniger als 10 kW elektrische Leistung. In Zusammenarbeit mit Partnern der Energieversorgungswirtschaft entwickelt und produziert das Unternehmen in Winterthur (CH) und Konstanz (D) Brennstoffzellen (BZ)-Heizgeräte für Ein- und kleine Mehrfamilienhäuser unter der Markenbezeichnung «Galileo 1000 N». Mit Galileo 1000 N hat Hexis ein System entwickelt, das den konventionellen Gas-Brennwertkessel überflüssig macht. Zudem erzeugt das BZ-System als eine universelle Haustechnikanlage Wärme und Strom. Das BZ-Heizgerät arbeitet effizient (über 95% Wirkungsgrad), umweltschonend und praktisch geräuschlos und wandelt den Brennstoff Erdgas durch die chemische Umwandlung des Brennstoffs in bedarfsgerechten Strom, Raumwärme sowie Warmwasser. Das Heizgerät ist kompakt und leicht, seine Funktionen und Komponenten arbeiten absolut sicher und zuverlässig. Zudem ist es extrem emissionsarm. Diesen hohen Qualitätsstandard erreicht Hexis – ein ehemaliger Unternehmensbereich der Sulzer AG, Winterthur – durch über 25 Jahre Forschung und Entwicklungsarbeit auf der BZ-Technologie. Unter der Leitung des heutigen Geschäftsführers Dr. Alexander Schuler wird das Heizgerät dennoch laufend weiterentwickelt. Hierbei fliessen die Er-kenntnisse aus den Feldtests, eigener Forschung und aus den Kooperationen mit internationalen Partnern ein. Doch trotz der vielen positiven Systemfaktoren und der jahrzehntelangen Forschung ist diese Technologie noch längst nicht im Markt so bekannt, wie sie es eigentlich verdient. Woran könnte dies liegen? Systemfunktionen der Galileo-Anlage und die Marktsituation werden in einem Gespräch mit Volker Nerlich, Dipl.-Ing. und Leiter Marketing & Vertrieb sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei Hexis hinterfragt und detailliert erörtert, um die Kernfrage: „Hat die Brennstoffzellen-Technologie im Heizungs- und Haustechnik-Bereich Zukunft?“ zu beantworten.
Im Allgemeinen ist wenig bekannt, was man hinter einer Brennstoffzelle versteht. Ausserdem wird die Brennstoffzelle manchmal mit Brennstäben aus der Kernenergie-Technologie verwechselt. Hätte man nicht einen besseren Begriff wählen können, der auch das Umweltbewusstsein symbolisiert? Volker Nerlich: Vielerorts wird an und mit Brennstoffzellen gearbeitet, und überall ist der Standardbegriff Brennstoffzelle geläufig. Wir, Hexis, sind aber nicht so gross und stark, um entscheidenden Einfluss auf die Branche zu haben. Denn das Wort Brennstoffzelle ist in der Öffentlichkeit tatsächlich nicht einfach zu verstehen. Deshalb ist es für uns eine zentrale Herausforderung, die Brennstoffzelle und unsere Heizungstechnologie dem Markt und der Öffentlichkeit als umweltfreundliche Technologie verständlich zu machen. Sind Brennstoffzellen-Systeme überhaupt umweltfreundlicher als herkömmliche Systeme? Welche Fakten stehen dafür? V. Nerlich: Wir könne die Umweltfreundlichkeit unserer Brennstoffzellen-Heizung durch umfassende Lifecycle-Analysen externer Institutionen klar belegen. Sie zeigen, unsere Anlagen verursachen nur geringe Schadstoffemissionen hinsichtlich CO und CO2 und die Lärmemissionen sind kaum wahrnehmbar. Zudem ist unser Brennstoffzellen-System bedarfsgerecht bezüglich Wärme und Strom für den Haushalt aufgebaut. Was macht das Hexis-Heizungssystem so attraktiv und ideal, wenn doch noch fossiler Brennstoff (Erd- od. Biogas) verwendet wird? V. Nerlich: Grundsätzlich ist unser System so ausgelegt, dass wir sowohl den gesamten Wärmebedarf als auch Stromgrundbedarf eines Haushalts abdecken. Es wird kein zusätzliches Gerät benötigt. Die Abwärme der Brennstoffzelle wird also ideal für den Haushaltbedarf genutzt. Andererseits ist die Brennstoffzelle ein nachhaltiger Baustein einer dezentralen Stromversorgung. Das ist ein entscheidender Faktor im Hinblick auf den Atomausstieg, der im Übrigen durch andere, alternative Stromerzeugungstechnologien nicht erreicht wird. Die Brennstoffzelle liefert Strom und Wärme! Von daher hat die Brennstoffzelle eine Sonderstellung. Dann ist doch die Brennstoffzelle in erster Linie ein Stromerzeuger? Sie aber sprechen primär von einer Wärmeanlage, die zusätzlich auch Strom erzeugt. Persönlich kenne ich die Brennstoffzelle als ein Stromerzeugungsaggregat, weshalb die Auslegung einer Brennstoffzellen-Heizung idealerweise auf den Strombedarf bezogen werden sollte. V. Nerlich: Ja und nein! Der Strombedarf in einem Haushalt variiert in der Regel ziemlich stark, der Wärmebedarf in einem Gebäude hingegen besteht kontinuierlicher. Und bei allfälliger „Wärme-Überproduktion“ läuft die Anlage noch stets gleich und erzeugt elektrische Energie, die ins allgemeine Stromnetz eingespiesen wird. Die allfällige Überschusswärme muss also gar nicht ungenutzt abgeführt werden. Weil heute infolge der Minergie-Konzepte aufwendige Wärmepumpen-Anlagen genutzt werden, die den Restwärmebedarf nicht effizient nutzen, fällt eine solche Betrachtung bei der Brennstoffzellen-Nutzung gänzlich weg. Wie werden BZ-Heizanlagen regelungstechnisch gefahren, in Bezug auf die klimatischen Verhältnisse und hinsichtlich des unterschiedlichen Strombedarfs? V. Nerlich: Für den Kunden ist es regelungstechnisch nicht unterscheidbar, ob eine Gasbrennerheizung oder ein Brennstoffzellen-System vorliegt. Die Brennstoffzellen-Anlage wird wie jede Heizung mittels Aussentemperaturfühler geführt und entsprechend den gewünschten Betriebführungsmassnahmen gefahren. Was hinter der Kulisse abläuft, also im System, dafür gibt es ein spezielles Energiemanagement-Modul, damit stets die optimale, sprich maximale Leistung gefahren wird, um stets so viel wie möglich Strom zu erzeugen. Es lässt sich die Anlage auch gemäss dem Wärmebedarf regeln, was ebenfalls vom Energiemanager-Modul bestimmt wird. Mit der Galileo-Anlage können wir, wie bei herkömmlichen Heizanlagen, auch Sommer- und Winter-Modi und viele Sonderbedingungen regeln. Mit welcher Lebensdauer ist bei Ihrer Galileo-Heizung zu rechnen? V. Nerlich: Wir definieren unsere Lebensdauer folgendermassen: Wir gewähren eine Betriebsgarantie von sieben Jahren inkl. einem Vollservicevertrag, mit dem alle Ersatzteile und Wartungsaufwände abgedeckt sind. Das Lebensdauerende ist definiert, wenn das Heizgerät eine Leistung von 70% zur Maximalleistung unterschreitet, also ab 700 W und weniger. Dann wird das Brennstoffzellen-Modul komplett ausgetauscht. Dieser Austausch ist für den Gerätenutzer kostenlos.
Wie verhält sich die Lebensdauer ihrer Anlage zu herkömmlichen Öl- und/oder Gasbrenner-Systemen? V. Nerlich: Unser Brennstoffzellen-Heizgerät hat die gleiche Lebensdauererwartung wie ein normaler Gasbrenner-Kessel, also von 15 bis 20 Jahren. Die Brennstoffzelle ist ein Verschleissteil, das mindestens einmal während dieser Zeit ausgetauscht wird. Ähnlich ist die Situation beim Gasbrenner, der ebenfalls nach rund sieben bis zehn Jahren ausgetauscht werden dürfte. Die Betriebsdauer/Austauschzeit von sieben Jahren beruht auf Erfahrungswerte. Mit diesem Zeit- und Leistungswert sind wir auf der absolut sicheren Seite, obschon Brennstoffzellen-Anlagen von uns bereits zehn Jahre ohne Brennstoffzellen-Wechsel in Betrieb stehen. Keramische Brennstoffzellen, wie beim Hexis-Konzept verwendet, al-tern also. Gibt es weitere kritische Systemfaktoren? V. Nerlich: Es gibt überhaupt keine kritischen Systemfaktoren. Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass bestimmte Anlagenkomponenten bestimmten, physikalischen Anforderungen unterliegen und demzufolge entsprechend gewartet werden müssen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von der Anlagenwartung, die bei unserem Hexis-System Betriebsgarantie genannt wird. Darin enthalten sind alle Teile- und Funktionskontrollen, Kontrolle der Einstellwerte, usw. Das ist z.B. ganz analog zu den regelmässigen Kontrollen und Wartungsaufgaben eines Fahrzeugs. Unsere Anlagen sind aber sehr robust und betriebssicher ausgelegt. Das kann man auch daran erkennen, dass die Heizungsspezialisten der Installationsfirmen für die Brennstoffzellen-Heizung keine besondere Ausbildung benötigen, es genügt eine zweitägige Schulung. Sie müssen das Gerät aufstellen und einfach in Betrieb setzen. Fertig! Es braucht keine speziellen Brennstoffzellen-Techniker. Und das Wechseln verbrauchter Brennstoffzellen oder Systemkomponenten können sie innert sehr kurzer Wartungszeit durchführen. Wie hoch sind die Heiz- und Betriebskosten im Vergleich zu herkömmlichen Systemen? V. Nerlich: Also die siebenjährige Betriebsgarantie ist bei allen Geräten im Anschaffungspreis integriert. Es fallen nur Gasbezugs- und allenfalls Stromkosten an, wobei der selbst erzeugte Strom genutzt und der nicht benötigte Anteil durch Rückspeisung vergütet wird. Der Gasbezug ist eigentlich der einzige Betriebskostenfaktor. Er ist jedoch wesentlich kleiner gegenüber einer Gasbrenner-Heizung. In Zahlen ausgedrückt heisst das, der Anlagennutzer muss hier in der Schweiz mit maximal 800.- bis 1´000.- Franken rechnen. Warum sind die Investitionen für eine BZ-Heizung so hoch? Was ist teuer im System und warum? V. Nerlich: Die höheren Anschaffungskosten resultieren aus der Situation, dass wir noch kleine Stückzahlen produzieren und auch kleine Stückzahlen für unsere zugelieferten Komponenten beschaffen. Die modernen Gasbrenner-Kessel oder Elektro-Wärmepumpenanlagen waren zu Beginn der Markteinführung auch wesentlich teurer als heute. Wenn also bei uns die Stückzahlen höher werden, fallen auch die Preise. Es sind nicht nur Materialkosten, die momentan zu Buche schlagen – wir benötigen keine besonderen Metalle, Edelmetalle oder so etwas – alle Faktoren spielen eine Rolle. Für verschiedene alternative, umweltfreundliche Technologieanwendungen gibt es steuerliche oder investitionsgebundene Anreizsysteme. Ist das für Brennstoffzellen-Heizanlagen nicht auch der Fall? V. Nerlich: Es gibt gewisse Anreize, vor allem in den Nachbarländern. In Baden-Württemberg werden z.B. 8´000.- Euro pro Gerät ausgeschüttet. In der Schweiz arbeiten wir mit verschiedenen Institutionen und kantonalen Behörden zusammen, um auch hierzulande ein Fördergelder-Konzept zu ermöglichen. Die Chancen, dass dafür bald ein positives Resultat herausschaut, sind nach momentanem Stand recht gut.
Gibt es neben dem Hexis-System auch noch Wettbewerber mit gleicher oder ähnlicher BZ-Technologie? V. Nerlich: In der Schweiz sind wir die einzigen Hersteller. Wir stellen jedoch fest, dass es zunehmend Unternehmen in unterschiedlichen Bereichen gibt, die die Brennstoffzellen-Technologie aufgreifen. Für unsere Heizungsbranche kennen wir noch drei weitere Wettbewerber, die in Deutschland ansässig sind. Auch unser Unternehmenspartner Viessmann Group zählt dazu. Drei weitere europäische Hersteller stehen in den Startlöchern. Wann diese im Markt eingreifen, wissen wir nicht.
Wie ist der Zusammenhang Viessmann und Hexis zu verstehen? V.Nerlich: Die Viessmann Group, Deutschland, hat 2012 einen Anteil von 50 % an unserem Unternehmen erworben. Die anderen 50% gehören der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte in Winterthur. Die Brennstoffzellen-Technologie für Heizungen und Haustechnik wird zu alternativen Energiethemen kaum erwähnt, trotz der vielen Vorteile. Warum ist das so? Was läuft falsch in den Promotion-Aktionen oder im Marketing für die Brennstoffzellen-Heizungstechnologie? V. Nerlich: Auch die Brennstoffzellen-Technologie für Automobile wird zwar verschiedentlich in den Medien gross herausgestellt, sie ist aber noch nicht optimal und breit einsetzbar. Ausnahmen sind regionale Bereiche wie Stadtverkehr oder spezielle Unternehmensareale. Doch der Markt beginnt zu leben. Wir haben uns auf den Erdgasbetrieb konzentriert, denn Erdgas ist in Europa fast überall vorhanden. Und für stationäre Anlagen – wie unsere Galileo-Heizung – ist somit der Markt eigentlich schon vorhanden. In der Schweiz werden – saisonal bedingt – bis ca. 30 % des Strombedarfs importiert. In einer detaillierten Bezugsaufschlüsselung stellt man aber fest, dass schon heute eine Lücke resultiert, die aus unterschiedlichen Quellen gedeckt wird. In Zukunft (2050) wird sich die Lücke noch vergrössern, weil der Anteil der Kernkraft zurückgeht. Und um diese Lücke zu schliessen, hat die Schweiz noch kaum Möglichkeiten, dieses Fehlpotenzial mit im Inland erzeugten Strom zu decken. Aufgrund dieser Situation sehen wir, Hexis, grosses Potenzial, einen gewissen Beitrag leisten zu können, um die Importmenge elektrischer Energie kleiner zu halten. Dann sollte man aber doch vermehrt von Stromerzeugungsanlage sprechen statt Wärmeerzeuger, oder? V. Nerlich: Das ist zwar richtig, aber wir nutzen unsere Geräte primär zur Wärmeerzeugung, also als Heizung, weil hierzu ein Markt besteht. Es wäre vermutlich viel schwieriger von Stromerzeugern zu sprechen, wie es z.B. bei Photovoltaik-Anlagen besteht, die nur Strom direkt erzeugen können. Wärmeerzeugung und gleichzeitig als „Nebenprodukt“ Strom zu erzeugen, scheint irgendwie verständlicher zu sein. Aber das muss sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland oder anderswo erst noch umfasst bekannt gemacht werden. Zum Schluss: Wie beurteilen Sie die Zukunft der Brennstoffzellen-Heizungen und warum? V. Nerlich: Es ist viel zu schade, wenn Erdgas nur verheizt wird, wie bei Gas-Brenneranlagen der Fall. Die Energieausbeute von Erdgas ist wesentlich effizienter, wenn es auch noch verstromt wird, also elektrische Energie gewonnen wird mittels Brennstoffzelle. Unser System spielt hierzu eine besondere Rolle, vor allem im Hinblick auf die Initiativen zur Abschaltung der AKWs, um die Stromlücke, die dann entsteht, mit alternativen Quellen zu decken. Die Brennstoffzellen-Heizung leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Wir erfüllen das mit einem bedarfsgerechten – sprich haushaltskonformen – System. Herzlichen Dank für das Gespräch.
25.12.2014 | Autor
Hans Joachim Behrend
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