Asset Management im Bahnverkehr

Richtige IT-Systeme beherrschen die Komplexität.

Asset Management (AM) hat in verschiedenen Unternehmen einen hohen Stellenwert erlangt. Die Umsetzung des AM führt hier zu mehr Effizienz, nachhaltiger Bewirtschaftung und hohen Erlösen. Doch die Verwirklichung von AM kann u.U. sehr komplex sein und bedingt geeignete IT-Systeme. Dies zeigt sich z.B. bei der Berücksichtigung massgeblicher Normen bzw. einschlägiger Regelwerke und deren Anwendung in Eisenbahn-Verkehrsunternehmen. Welche Normen und Richtlinien hier von Bedeutung sind wird aufgezeigt.

Schienenverkehr mit Asset Management führen
 Schienenverkehr ist eine komplexe Steuerung.

 Technisch und organisatorisch ist Asset Management sehr anspruchsvoll. Die ausgeprägte Produktindividualisierung wie auch die jeweils individuelle Betriebsführung und Branchen-/Marktsituation machen einen integrierten Ansatz erforderlich, der heutzutage nur mit dem Einsatz entsprechend geeigneter Software Erfolg verspricht. Hier gewinnen Systeme für das Produktlebenszyklus- und Produktdatenmanagement (PLM/PDM) sowie Konzepte/Systeme zum Asset Lifecycle Management (ALM) zunehmend an Bedeutung, da sie das Daten- und Prozessmanagement in vielen Unternehmensbereichen (Produktion/Betriebsführung, Beschaffung, Instandhaltung usw.) durchgängig unterstützen und eine effiziente Planung, Durchführung und mit nachweisfähiger Dokumentation von wichtigen Produktions- und Maintenance-Massnahmen sicherstellen.

 Das Asset Management

… umfasst eine geordnete Gesamtheit von systematischen und abgestimmten Aktivitäten und Vorgangsweisen, durch die eine Organisation ihre physischen Investitionsgüter (Assets) und die damit verbundenen Leistungen, Risiken und Ausgaben über deren gesamte Lebensdauer optimal und nachhaltig bewirtschaftet, um den strategischen Plan der Organisation umzusetzen. 

 Folgende internationale Normen zum Asset Management liegen vor:

ISO 55000     “Asset Management – Overview, principles and terminology”; spezifiziert die Übersicht, Konzepte und Begriffe im Bereich Asset Management.

ISO 55001    "will specify the requirements for good Asset Management practices - an "Asset Management System"; Die Norm schafft die jeweiligen Voraussetzungen für eine gute Asset Management Praxis.

ISO 55002   "provides interpretation and implemention guidance for such an Asset Management System. Diese Norm gilt als Leitfaden des AM-Systems mit Interpretationen und Anleitungen.

 

 Die ISO 55000 zeigt zum Asset Management grafisch folgenden Ansatz auf, wobei die Aktivitäten/Massnahmen entsprechend der Führungsebenen in einer Bedürfnispyramide im Detail dargestellt werden können.

  In einem integrierten AM-System werden verschiedene Management-Funktionen zusammengeführt. Die Managementprozesse lassen sich dann in so genannten PDCA-Zyklen (Plan-Do-Check-Act) darstellen. Die hierfür in verschiedenen Management-Bereichen relevanten Inhalte mit Hinweisen zu grundlegend Normen sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen.

 Im Unternehmen ergeben sich zur Umsetzung der Ziele strategische, taktische und operative Managementfunktionen, die von unten eine Informationsverdichtung, von oben eine Vorgabendetaillierung und im Informationsbedarf unterschiedliche Sichten aufzeigen. Die Ziele orientieren sich – zumindest seitens der Kunden – annähernd gemäss einer Bedürfnishierarchie (Maslow´sche Pyramide), wobei Sicherheit und Verfügbarkeit die Basis bilden; Kosten bzw. Effizienz sowie Akzeptanz, Komfort und Nachhaltigkeit weitere Bedürfnisse darstellen.

 

 AM-Funktionen hinsichtlich der "Plan-Do-Check-Act" Einteilung.

 

EU- und UIC-Richtlinien

 

 Handlungs- und Umsetzungsvorgaben werden jedoch für Europa in den EU-Richtlinien getroffe

n.  Derzeit existieren europaweit ca. 11.000 nationale technische Vorschriften. Zudem setzen sich die EU-Kommissi

onen in ihrem Weissbuch "Verkehr 2011" zum Ziel, mehr Transporte von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Dies alles fördert nicht den ursprünglichen Gedanken der Interoperabilität (Zusammenarbeit).  Eine Auswahl von EU-Richtlinien, die für das Asset Management relevant erscheinen, ist unter anderem:

 -  Die Richtlinie 2004/49/EG über Eisenbahnsicherheitin der EU für das gesamte Bahnsystem.

 -  Auch die EU-Verordnungen 1169/2010 und 1077/2012 zur gemeinsamen Sicherheitsmethode (CSM) für die Konformitätsbewertung in Bezug auf die Anforderungen an die Erteilung von Eisenbahnsicherheits-Genehmigungen bzw. für die Überwachung gehören dazu.

-  Richtlinie2008/57/EG des Europäischen Parlaments über die Interoperabilität(Zusammenarbeit) des Eisen

bahnsystems mit Richtlinie 96/48/EG (Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeits-Bahnsystems) sowie der Richtlinie 2004/50/EG, welche weitere Richtlinien konkretisieren, sind von Bedeutung.  

 -  Die Verordnung 445/2011 setzt einen Rahmen für die Zertifizierung von betrauten Stellen (ECM, Entity in Charge of Maintenance) für die Instandhaltungvon Güterwagen.

Instandhaltung im Bahnwesen
 Wartung und Instandhaltung in Bahnwesen lassen
sich sehr effizient im Asset Management-System
planen und durchführen.

 Neben den EU-Richtlinien hat auch die UIC (Union Internationale des Chemins de fer)  ca. 600 Merkblätter erarbeitet mit total neun Kapitel:

1  Personenverkehr und Gepäckbeförderung     
2  Güterverkehr
3  Finanzen, Abrechnung, Kosten, Statistik                     
4  Betriebsführung
5  Fahrzeuge 
6  Zugförderung
7  Bahnanlagen
8  Technische Lieferbedingungen
9  Informatik, Verschiedenes.

 Dabei sind für die Instandhaltung folgende Merkblätter relevant: Kapitel 4, Kapitel 5 (periodische Revisionen an Güterwagen), Kapitel 7 und Kapitel 8 (Wartung und Instandhaltung des internationalen Datenübertragungsnetzes).

 Zusätzlich sind auch die folgenden Dokumente im deutschen Bahnwesen von Wichtigkeit:

-  IDMVU Infrastruktur-Datenmanagement für Verkehrsunternehmen des VDV (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen),

-  Leitfaden zur Zertifizierung für die Instandhaltung von Güterwagen und den zuständigen Stellen (ECM, Entity in Charge of Maintenance),

-  Vorgaben aus der  EBO (Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung),

-  Schriften des VDV und Richtlinien und Dienstvorschriften der DB,

-  Leitfaden zur CSM (Common Safety Method).

 Risiko und Sicherheit

 Risikomanagement umfasst sämtliche Massnahmen zur systematischen Erkennung, Analyse, Bewertung, Überwachung und Kontrolle von Risiken und ist in DIN EN ISO 31000 beschrieben. Wird das Risikomanagement normenkonform umgesetzt, so ermöglicht dies einer Organisation die Notwendigkeit der Risikoidentifikation und Risikobewältigung bewusst zu machen, das Erkennen von Chancen und Bedrohungen zu verbessern sowie relevante, gesetzliche und regulatorische Anforderungen sowie internationale Normen einzuhalten. Die Risikobeurteilung ist ein iterativer Prozess nach DIN EN ISO 12100.

 Für den Schienenverkehr wurde ein Leitfaden zur Anwendung der CSM (Common Safety Method) für die einheitliche Risikoevaluierung bzw. -bewertung erarbeitet.

 Bei Trassenarbeiten muss der Zugsverkehr
minutengenau geplant werden.

Sicherheitsmanagement ist ein auf die formalen Abläufe und Strukturen zur Sicherheit in Unternehmen gerichteter Prozess. Es existieren mehrere nationale Standards von Normungsinstituten sowie Frameworks von Gremien und Standesorganisationen.

 Die Sicherheit wird als relativer Zustand der Gefahrenfreiheit angesehen. Dieser gilt stets nur für einen bestimmten Zeitraum, eine bestimmte Umgebung oder unter bestimmten Bedingungen. Sicherheit bedeutet daher nicht, dass Beeinträchtigungen vollständig ausgeschlossen sind, sondern nur, dass sie hinreichend unwahrscheinlich sind. Gefährdung bedeutet die Möglichkeit, dass ein Schutzgut (Personen, Anlagen oder Umwelt) räumlich und/oder zeitlich mit einer Gefahrenquelle zusammentreffen kann.

 In der OHSAS 18001:2007 – Occupational Health and Safety Management Systems – Arbeits- und Gesundheitsschutz –sind die Anforderungen an Managementsysteme beschrieben.

 Zur funktionalen Sicherheit im Eisenbahn- und Schienenverkehr wurden die IEC 61508 sowie die DIN EN-Reihe 50126, 50128 und 50129 erarbeitet.

 Die Sicherheitsanforderungsstufe, auch als Sicherheits-Integritätslevel (SIL) bezeichnet, ist ein Begriff aus dem Gebiet der funktionalen Sicherheit. SIL dient der Beurteilung elektrischer / elektronischer / programmierbarer elektronischer Systeme in Bezug auf die Zuverlässigkeit von Sicherheitsfunktionen. Aus dem angestrebten Level ergeben sich die sicherheitsgerichteten Konstruktionsprinzipien, die eingehalten werden müssen, damit das Risiko einer Fehlfunktion minimiert werden kann.

 In der Sicherheitsnorm EN 61508 ist der Sicherheits-Integritätslevel in vier Stufen (niedrige bis hohe Sicherheit) definiert. Diese vier Stufen finden in der DIN EN 50128:2012 Bahnanwendungen - Telekommunikationstechnik, Signaltechnik und Datenverarbeitungssysteme - Software für Eisenbahnsteuerungs- und Überwachungssysteme (siehe auch VDE 0831-128:2012-03) Anwendung.

 Instandhaltungs- und Qualitätsmanagement

Das Instandhaltungsmanagement definiert sich als die Gesamtheit aller Massnahmen zur Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der Instandhaltung.

Das operative Instandhaltungsmanagement beschäftigt sich mit der Umsetzung der durch die Ziele der Instandhaltung gesetzten Vorgaben. Dazu gilt es, durch Planung, Steuerung, Durchführung und Kontrolle der notwendigen Massnahmen und Ressourcen zur wirtschaftlichen Erfüllung dieser Aufgabe beizutragen.

 Zur Instandhaltung bzw. zum Instandhaltungsmanagement liegen mehrere Normen und Richtlinien vor. Die wesentlichen sind DIN 31051:2003 (Grundlagen der Instandhaltung), DIN EN 13306, DIN EN 13269:2006 und die DIN EN 13460.

 Im Instandhaltungs-Management sind häufig folgende Managementaufgaben eingebunden:

- Contract-Management (auch Vertragsmanagement genannt) umfasst die Betreuung der vertraglichen Verhandlungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, Implementierung von Verträgen und Vornahme von Vertragsänderungen aus technischen, terminlichen, personellen oder finanziellen Gründen.

- Das Obsoleszenz-Management befasst sich mit veralteten oder nicht mehr lieferbare Komponenten, welche durch funktionell und / oder konstruktiv gleichartige zu ersetzen sind.

- Service-Management ist ein Verfahren zur Optimierung von Dienstleistungen und stellt als Bereich innerhalb des Supply-Chain-Managements (Lieferkettenmanagement) die Schnittstelle zwischen dem Verkauf eines Produktes und dem Kunden dar.

 Das Qualitätsmanagement (QM) bezeichnet alle organisatorischen Massnahmen, die der Verbesserung der Prozessqualität, der Leistungen und damit den Produkten jeglicher Art dienen. Der Begriff Leistungen umfasst im QM die Dienstleistungen, geht aber über den üblichen Begriff hinaus und betrifft vor allem die innerorganisatorischen Leistungen.

 Die ISO 9001:2008 Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung – ist eine Norm für Qualitätsmanagementsysteme und enthält Anforderungen an ein QM-System.

 Qualität, hier überwiegend der Zustand der Infrastruktur und Fahrzeuge, aber auch die Pünktlichkeit der Bahnen stehen immer wieder im Mittelpunkt in der öffentlichen Wahrnehmung.

Energie- und Umweltmanagement

 Das Energiemanagement ist ein auf die formalen Abläufe und Strukturen zur energetischen Nutzung in den Unternehmungen ausgerichteter Prozess. Es umfasst die Gesamtheit miteinander zusammenhängender oder interagierender Elemente zur Einführung einer Energiepolitik mit strategischen Zielen sowie den Prozessen zur Erreichung diese Ziele und wird in  DIN EN ISO 50001:2011 beschrieben.

 Gemäss Änderungen des Energiedienstleistungsgesetzes müssen ab 2015 alle Unternehmen in einem vierjährigen Rhythmus Energieaudits durchführen. Die Ergebnisse sind in einem Bericht zusammenzufassen. Das Audit muss der DIN EN 16247-1 entsprechen und umfasst die systematische Inspektion und Analyse der Energieströme im Unternehmen. Es hat zum Ziel, Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz aufzudecken. Dies kann im Schienenverkehr bzgl. der vom Triebfahrzeug, der Trasse und der Last abhängigen Energiedaten in einem Logistik- oder Asset Management-System rationell erfolgen.

 Im Eisenbahn- und Schienenverkehr ist die Energiebedarfsprognose incl. Rückstromerzeugung von grosser Bedeutung, um durch Optimierung der Grenzwerte und exakte Bedarfsangaben günstige Konditionen für den Energiebezug zu erhalten. Insbesondere die zeitlich und örtlich veränderlichen Verbraucher (die auch Einspeiser sind), der Energieaustausch zwischen den Fahrzeugen und die hoch dynamischen Lastgänge gewährt nur der Einsatz eines geeigneten IT-Systems.

 Das Umweltmanagement ist der Teilbereich des Managements einer Organisation, der sich mit den betrieblichen und behördlichen Umwelt(schutz)belangen beschäftigt. Die ISO 14001:2009 - Umweltmanagementsysteme - beschreiben die Anforderungen mit Anleitung zur Anwendungund gelten als offizielleNorm hierfür. Sie dient zur Sicherung einer nachhaltigen Umweltverträglichkeit der betrieblichen Prozesse einerseits sowie der Verhaltensweisen der Mitarbeitenden andererseits.

 Schwerpunkte im Bahnwesen sind der Lärm, die Abwasserentsorgung und Schotterrecycling (siehe hierzu Lärm- bzw. Schienenbonus, Verkehrswege-Schallschutz-Massnahmen und diverse Umweltleitfäden. Zur Unterstützung können beispielsweise für so genannten Lärmbonus die in einem AM-System erfassten Daten zu Raddurchmesser, Bremsausführungen und gefahrenen Tonnenkilometer zusammengerechnet und mit einem Report als Nachweis verwendet werden.

IT im Bahnwesen
 Ohne Informationstechnologien (IT) ist im Schienenverkehr
nichts mehr zu machen.

Projekt- und Wissensmanagement

 Als Projektmanagement bezeichnet man das Initiieren, Planen, Steuern und das Kontrollieren und Abschliessen von Projekten. Begriffe und Verfahrensweisen im Projektmanagement sind mittlerweile etabliert und in der DIN 69901 standardisiert.

 Die Realisierung komplexer Massnahmen im Rahmen von Projekten (Auftragsbundling, auch integrierte Bündelung) ist in einem Asset Management-System verfolgbar und im Bahnverkehr von besonderer Bedeutung, da sie Streckensperrungen, Umleitungen und enge „Zeitfenster“, die Minimierung von Fahrplanbeeinträchtigungen ermöglichen. Dies kann im AM-System mit dem Modul „Ressource Manager“ unterstützt werden.

 Das Wissensmanagement (englisch knowledge management) ist ein zusammenfassender Begriff für alle strategischen bzw. operativen Tätigkeiten und Managementaufgaben, die auf den bestmöglichen Umgang mit Wissen abzielen. Beiträge zum Wissensmanagement werden in vielen Aufgaben/Disziplinen entwickelt, insbesondere in der Betriebswirtschaftslehre oder der Wirtschaftsinformatik. 

In der VDI 5610-Richtlinie wird das Wissensmanagement im Ingenieurwesen, d. h. Grundlagen, Konzepte und das Vorgehen beschrieben.

 Die Übermittlung von Erfahrungen langjähriger Mitarbeitender, die Erfassung von Best-Practice zur Verallgemeinerung von guten Lösungen und erste Erkenntnisse aus der Einführung neuer Technologien, Fahrzeuge usw. erfordern zunehmend Lösungen in allen Eisenbahn-Verkehrsunternehmen. Die Zuordnung der Informationen und des Wissens kann entsprechend der in einem Asset Management-System hinterlegten Struktur den Strecken, Fahrzeugen und Komponenten erfolgen.  (beh)

 Autor/weitere Infos:

Gerd Stalloch, ZEDAS GmbH, D-01968 Senftenberg, A.-Hennecke-Str.37, Tel. +49 3573 7075-27, eMail: gstalloch@zedas.com

 

22.10.2015 | Autor Hans Joachim Behrend

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