Fachbereich: Facility Management
Erstveröffentlichung: 22.08.2015 Ausgedruckt am: 30.07.2017 |
Hotellerie im Spital
Zum Thema Zukunft fand am 11. Und 12. Juni 2015 die 6. Fachtagung Hotellerie im Spital im Berner Inselspital statt. Gegen 300 Interessierte und Gäste hörten sich die sechs Referate über Dienstleistungs-Erkenntnisse und Trends in der Hotellerie an. Hintergrund auch dieser Tagung war der Wandel im Gesundheitswesen. Zur Begrüssung der Veranstaltungsteilnehmenden wies Holger Baumann, Versitzender der Geschäftsleitung und CEO Inselspital, Universitätsspital Bern und Spital Netz Bern AG, auf die aktuellen Megatrend hin, nämlich die Fusionen der Spitäler in der Schweiz. «Keine Branche ist so umfangreich im Wandel wie die Spitäler», so Baumann, und seit der Einführung des SwissDRG (Fallpauschalen-Regelung) sei viel geschehen. Die Insel-Gruppe umfasst sechs Standorte, über 10 000 Mitarbeitenden und ist damit der grösste Spitalkomplex der Schweiz. Auch bei der Hotellerie habe man inzwischen erkannt, dass diese nicht nur ein Kostenfaktor bedeutet, sondern auch zur Qualität der Dienstleistungen an Patienten beiträgt. Bei der Insel sei man dabei, dass Vorprojekt zum Umbau und zum Bau eines Organzentrums zu realisieren. Dabei werde das Bettenhochhaus verschwinden. Technologie und Demografie
Dr. Mirjam Hauser, Trendforscherin beim Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon und frühere Marktforscherin befasst sich in ihren Studien für allem auch mit der Ernährung und verschiedenen Tendenzen im Konsumverhalten. Ihre Thesen sind: Die Treiber zur Veränderung sind, dass wir «älter, weiblicher, multi-kultureller und technologieaffiner werden, dass die «Bevölkerung wächst (global und in CH), aber schrumpft (in D, I usw.), gebildeter, urbaner, weiblicher, älter, multi-kultureller, vernetzter und umweltbewusster» wird. Die neue Technologie beschleunige wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse, die würden «schneller, besser, billiger, vernetzter und virtueller», die Wirtschaft befindet sich im Kampf um Marktanteile; dadurch entstehe «Preisdruck, ein höherer Marketingaufwand, das Ende der Massenmärkte sowie Wachstum ohne neue Jobs», so Mirjam Hauser. In den Bereichen Ökologie und der Politik präsentiere sich die Entwicklung durch Verknappung von Rohstoffen und Energie, Klimawandel usw. sowie in der Politik die Zunahme von Konflikten und dass die USA und Europa ihre Vormachtstellung einbüssen und China sowie Indien an Einfluss gewinnen. Als Zukunftsmusik entwickelt sich auch Urban Farming, da wäre ein weitere visionäre Feld, ein Spital im US-Staat Michigan beschäftigt eine Landwirtin mit eigener Farm für die Hotellerie, berichtet die Forscherin. Ein weiteres Beispiel sei der «Sunday Dish» in Zürich oder Bern, wo in der privaten Wohnung der Sonntags-Repas serviert wird. Neue Trends in der Hotellerie Als Lösungsansätze in der Spital-Hotellerie der Zukunft sieht die GDI-Trendforscherin «neue Bedürfnisse und neue Wege»: «Megatrends geben den Takt an, Gegentrends geben Profil. Die Komplexität explodiert, immer mehr Menschen fühlen sich überfordert und sehnen sich nach Einfachheit». Das Smartphone werde zum wichtigsten Interface und der Service würde wichtiger als Produkte (denn die kriege man online). Essen und Kochen seien «Statussymbole geworden und der neue Luxus ist sich Zeit nehmen zu können, Genuss und Gemeinschaft zu pflegen», strich Mirjam Hauser in ihrem Referat hervor. Die Kunden oder auch Patienten «wollen eingebunden sein, lernen, um wieder verstehen zu können (in Produktion einbinden, Know-how aufbauen) und es bestehe auch eine «wachsende Sehnsucht nach Authentizität und Wiederanknüpfen am Ursprung (Regionalen und Traditionellen)», hält die Forscherin abschliessend fest. Fusionitis im Gesundheitswesen
Der CEO des Kantonsspitals Baselland in Liestal, Jürg Aebi, informierte aus der Praxis eines sich im Wandel befindlichen Spitals. Was 2012 nach einer kantonalen Abstimmung und der Forderung nach Fusion von Spitälern begonnen hat, zeitigte empfindliche Narben bei den Mitarbeitenden; der Vorgänger von Aebi, wurde zum Rücktritt gezwungen. Inzwischen hat sich schon einiges entwickelt; der Zusammenschluss der Spitäler Liestal, Laufen und Bruderholz mit rund 700 Betten und 1350 Mitarbeitenden ist vollzogen worden. Neben der eigenen neuen Organisationen musste sich das Spital auch auf den Markt ausrichten; nur wenige Kilometer von den drei Standorten gibt es Spitäler der Kantone Baselstadt, Solothurn und Aargau. Deshalb seien viele Kaderärzte abgeworben worden, nach der Abstimmung gab es weitere Abgänge von medizinischem Personal, so Aebi. Auch der Verwaltungsrat wurde vollständig ausgewechselt. Einführung von Lean Hospital Der Kontakt und die mögliche Zusammenarbeit mit zuweisenden Ärzten, Rettungsdienst, mit andern Spitälern, Netzwerkpartnern sowie mit Patienten musste zuerst angegangen und umgesetzt werden, wie der CEO aus Liestal erklärt. Ein 5-Punkte-Plan wurde erarbeitet: die Einführung von «Lean Hospital»-Ideen, die zuweisenden Ärzte als Partner zu akzeptieren; ein erstklassiger Arbeitgeber in der Region zu sein, intelligente Investitionen zu tätigen sowie die kantonsübergreifende Kooperation zu suchen. Der Druck der Medien sei sehr gross gewesen, sodass das Kantonsspital BL eine Medienkampagne mit Inseraten, Video und Radiospots startete, um weiträumig über die Veränderungen im Spitalwesen zu informieren. Um die medialen Kritik besser in den Griff zu bekommen, sei es wichtig, offen und ehrlich mit den Medienschaffenden zu kommunizieren. Durch den Umbau der Spitäler habe man bei den Zuweisungen über 1000 Patienten verloren, was ökonomisch den Verlust von rund 10 Millionen Franken ausmacht. Um als Arbeitgeber attraktiver zu werden, wurde eine Inhouse-Kinderkrippe im Spital Liestal für das Personal gegründet, die von morgens sehr früh bis Abends spät geöffnet ist. Für die Neuorganisation mit baulichen Anpassungen wird das Investitionsvolumen auf 400 Millionen Franken veranschlagt, wie Jürg Aebi ausführte. Ein «glücklicher» Hotelier Der sich als «Glücksforscher» bezeichnende diplomierte Hotelier SHV, Ernst «Aschi» Wyrsch, übertitelte sein Referat mit «Leadership & Motivation» und ging auf mögliche psychologische und emotionale Aspekte der menschlichen Existenz ein, die als positives Elixier das Dasein verändern kann. Der erfolgreiche Hotelier und Dozent an der St. Gallen Business School für Leadership wirkte während 23 Jahren als Gastgeber im Steigenberger Grandhotel Belvédère Davos und erregte auch am World Economic Forum WEF Aufsehen mit exklusiven Ideen. Das Arbeitsumfeld müsse so gestaltet sein, dass Mitarbeitende zur freiwilligen Leistungssteigerung angeregt werden und situative Führung auch im Leistungsgrenzbereich zulassen. Ein spezielles Anliegen, so Aschi Wyrsch, in Bezug auf Führung und Life Balance ist bestimmte Gesetzmässigkeiten im Leben und den Umfang damit bewusst zu machen. Der Hotelier ist durch seine tägliche sensitive Wahrnehmung damit beschäftig, die Unterschiede zwischen Glückspilzen und Pechvöglen zu erforschen. Wyrsch ist überzeugt, dass Glück und Pech für jeden Einzelnen veränderbar ist, sofern dieser sich aktiv in den Prozess einbezieht. Dienstleistungskultur und digitale Welt Am zweiten Tag der Hotellerie-Veranstaltung in Bern kamen drei weitere Referentinnen und Referenten zu Wort. Über die Generation YZ referierte der deutsche Unternehmensberaten Philipp Riederle, während Rolf Küpfer von Mercuri Urval Switzerland sich zur Umkehrmethode («Wie bewerben sich Arbeitgeber bei Arbeitnehmern?») äusserte. Service ist ein zentrales Thema von Sabine Hübner, Keynote-Speaker und frühere Reise-Unternehmerin. Der Titel ihres Vortrags lautete «Dienstleistungskultur im digitalen Zeitalter». Mit Humor und Charme bringt sie dem Publikum näher, dass Service eine Haltung, eine innere Einstellung ist. Wichtig dabei, so Sabine Hübner, dass Unternehmen eine Servicekultur haben und diese über alle Ebenen hinweg pflegen und leben. Dabei sei Service kein «statisches Thema, das man einmal erlernt hat und dann immer wieder anwenden» kann. Service sei dynamisch und erfordert vor allem Empathie. Besonders im digitalen Zeitalter sieht Hübner die Bedeutung von guten Dienstleistungen steigen. Wobei guter Service nicht gleichzusetzen sei mit mehr Service. Es gehe vielmehr darum herauszufinden, was dem Kunden oder Patienten wirklich wichtig ist und weiterhilft. Dabei setzt die Autorin Hübner besonders auf die Mitarbeiter als Ideengeber für Service-Innovationen.
22.08.2015 | Autor
Eugen Rieser
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