Fachbereich: Logistik/SCM
Erstveröffentlichung: 24.07.2015 Ausgedruckt am: 30.07.2017 |
Logistik bei der Schweizer Armee
Jede noch so gut ausgerüstete Armee kann nur so gut sein wie ihre Logistik. Kein Wunder, sind die Anforderungen der „besten Armee der Welt“ an die entsprechenden Einheiten besonders hoch. Wie sie erfüllt werden, erläuterten der Chef des Armeelogistikcenters Othmarsingen (ALC-O) und weitere Mitlieder der dortigen Führungscrew anlässlich einer Besichtigung ihrer Basis, die von der deutschen Bundesvereinigung Logistik BVL und der NOVO Business Consultants AG als BVL-Event organisiert worden war. Zur Logistikbasis der Armee (LBA) gehören neben dem Armeelogistikcenter Othmarsingen (ALC-O) vier weitere ALC, eine Logistikbrigade sowie die Sanität und die Armeeapotheke. Sie alle, erläutert Ulrich Tschan, Chef des ALC-O, anlässlich einer Vorstellung seiner Organisation vor Ort, unterstützen die Armee bei ihren Einsätzen durch möglichst effektive und effiziente Logistikleistungen und sorgen dafür, dass die Einheiten der Schweizer Armee sowohl in der Ausbildung wie im Einsatz die notwendigen logistischen Leistungen erhalten. Dazu wird das Einsatz- und Ausbildungsmaterial für die Truppe bereitgestellt, nach dem Einsatz zurückgenommen, gesäubert, ggf. instand gestellt und so gelagert, dass es beim nächsten Anlass lückenlos und verzögerungsfrei wieder ausgegeben werden kann. Dazu wiederum verfügen die ALC über Vorortlager, Hochregallager, Schmalganglager sowie unterirdische Anlagen und über moderne bzw. zweckmässig modernisierte Gebäude und Infrastrukturen. Schliesslich sollen mit minimiertem Aufwand und zunehmend weniger Personen zuverlässige Dienstleistungen erbracht werden. Eine auf SAP basierende Datenbank bildet das IT-Rückgrat der gesamten Einheit. Militärisch geführte Zivileinheit2005 bereits hat die Schweizer Armee ihr neues Stationierungskonzept umgesetzt und seinerzeit 50 Zeughäuser und weitere Betriebe per 01.01.2006 in damals fünf Logistik-und sechs Infrastruktur-Center zusammengefasst. Durch eine weitere Optimierung und Ausnutzung des Synergiepotenzials erfolgte per 01.01.2012 die weitere Zusammenführung in die heutigen fünf ALC. 3‘500 Personen sind hier beschäftigt, gerade mal 27 von ihnen tragen Uniform. Inzwischen ist die WEA, die Weiterentwicklung der Armee, in eine neue Runde gegangen, um die Bereitschaft der Armee ab 2018 weiter zu erhöhen, die Ausbildung und Ausrüstung zu verbessern sowie die regionale Verankerung zu stärken. Schliesslich geht es auch darum, das Verhältnis zwischen den Leistungen und den finanziellen Mitteln auf eine nachhaltig solide Basis zu stellen. Mittels WEA soll, so Tschan, die Armee in die Lage versetzt werden, auch in Zukunft die Schweiz und ihre Bevölkerung wirksam gegen moderne Bedrohungen und Gefahren zu verteidigen und zu schützen. Dazu sei die Einsatzbereitschaft der Armee weiter zu steigern. Reduce to the bestWenn die wichtigsten Eckwerte der WEA nun lauten: Den Sollbestand der Armee auf 100‘000 Mann reduzieren, das Armeebudget auf 5 Milliarden Franken pro Jahr steigern, die Anzahl Diensttage pro Jahr reduzieren, dann stellt das an jedes ALC besonders hohe Anforderungen. Die Organisation der LBA in fünf ALC greift dieser Entwicklung immerhin vor. Sie alle haben eine klare Vision: „Wir stellen jederzeit den Einsatz der Armee sicher!“ und ein Selbstverständnis: „Wir sind Logistik und Sanität!“ Damit ist – militärisch kurz und prägnant – das Wesentliche gesagt. Ihre Leistungserbringung soll robust und durchhaltefähig, ihr Angebot auf das Leistungsprofil der Armee ausgerichtet sein. Wenn man dann noch bedenkt, dass alle Eigen- und Fremdleistungen durch die LBA und die ALC geplant und gesteuert werden, kann man sich eine Vorstellung davon machen, was die Aufgaben der Logistikcenter im Grundsatz beinhalten. Im Detail sind sie indessen kaum zu beschreiben, weil viel zu umfangreich. Voraussetzung: Qualifizierte MitarbeiterDiese Vorgaben umzusetzen, ist nur möglich, wenn die Einheiten über genügend geeignete und qualifizierte Mitarbeiter verfügen. Dafür wird gesorgt. In den fünf ALC werden zurzeit über 300 Nachwuchskräfte (Lernende) ausgebildet, im August wird die Zahl auf 360 steigen. Im ALC Othmarsingen allein sind 550 Mitarbeitende beschäftigt, über 50 davon absolvieren eine 3- bis 4-jährige Ausbildung in verschiedenen Berufskategorien. Um diese Stellen zu besetzen, hätten bislang nur wenige Inserate geschaltet werden müssen, erläutert Ulrich Tschan. Die Stellen seien (noch) so begehrt, dass sich immer genügend Anwärter meldeten, um den Bedarf mit geeigneten Kandidaten (Talenten) zu besetzen. Ob das in Zukunft so bleiben wird, bleibt offen, schliesslich erreichen in nächster Zeit auch bei den ALC sehr viele Mitarbeitende das Pensionsalter, so dass der Bedarf an Nachwuchskräften deutlich steigen wird. Gefahren durch Gefahrgutlogistik gebanntTransport und Lagerung von Gefahrgütern werden heute im Detail gesetzlich geregelt. Auch die Armee hat sich an diese Vorgaben zu halten. Doch erst die Vereinheitlichung der Lagerungs- und Beförderungspapiere, die Aufnahme der Stammdaten und deren Erfassung mit objektorientierten Klassen im Satellitensystem und in iPPe Stücklisten im SAP DFPS ermöglichten einen effizienten und korrekten Umgang mit diesen Produkten, erläutert Kurt Sommer, Chef BLS LBA. Verstösse gegen die Vorschriften bei der Lagerung und beim Transport sollten vermieden, Mitarbeiter abgesichert und Hilfe im Notfall erleichtert werden. Schliesslich werden in den ALC neben Verpflegungsmittel, Medikamenten und Sprengstoff abgepackt, so Sommer, und neben unterschiedlichsten Fahrzeugen auch Munition, Brennstoffe, sonstiges Material, Funkeinrichtungen, Textilien und Verpflegung gelagert und funktionsbereit gehalten. Ein Zusammenpackverbot verschiedener Sachen wird mit Hilfe der IT kontinuierlich überwacht und durchgesetzt. Ohne vereinheitlichtes Vorgehen und strikte (Sicherheits-) Regeln würden die Risiken bei der Lagerung sowie bei der Annahme und Ausgabe rasch überhandnehmen. Schliesslich wurden 2014 rund 9‘200 Gefahrgutsendungen per kombiniertem Verkehr, 800 per LKW und 1‘500 per Bahn absolviert. Neben zahlreichen Park- und Abstellplätzen in gedeckten Hallen unter mehr oder weniger freiem Himmel übernimmt in Othmarsingen ein grosses Schmalganglager einen Grossteil der Paletten-Lagerplätze. Das zur Hälfte unter der Erde platzierte Schmalganglager kann auf rund 10 Etagen mit Rahmenpaletten bestückt werden. Die beiden Warenein- und –ausgänge liegen auf etwa halber Höhe der Lagerhalle bzw. ebenerdig, wenn es um die Zu- bzw. Abführung von aussen geht. Im Bedarfsfall können zwei Stapler die Regale bedienen, wobei sie in den kritischen Bereichen von im Boden verlegten Drähten spurgeführt werden. Im Normalfall ist ein Fahrer mit seinem Stapler im Einsatz. Zivile Ressourcen können beigezogen werdenUrs Lustenberger leitet am ALC-O den Bereich Instandhaltung und damit auch das Prüfzentrum. Auch er verfügt über die entsprechenden Fachleute samt Infrastruktur. Im Bedarfsfall ist er aber auch berechtigt, zivile Partner für die Erledigung spezieller Aufgaben beizuziehen. Da die Bereiche der Instandhaltung Radfahrzeuge, Waffen, Übermittlungsmaterial, technisches Material sowie Textilien umfassen, sind die anfallenden Aufgaben entsprechend umfangreich und unterschiedlich, zumal das ALC-O auch noch für die schweizweite Instandhaltung von Baumaschinen, Brücken, Booten samt Bootsmotoren, das Material für internationale Hilfseinsätze sowie Hydrauliksysteme verantwortlich ist. IT BackboneUm die Sicherheitsbestimmungen durchzusetzen und bei der Lagerung sowie bei der Ausgabe und Rücknahme von Armeematerial den Überblick zu behalten, wird jedes Teil bzw. jede Palette, in der dies abgelegt wird, mit einem Code versehen. Die Daten werden später alle mit Hilfe von SAP ECC verarbeitet.. Auf der Basis dieser Lagerstands- und Bewegungsdaten werden nun die Einsätze der eigenen bzw. externen Instandhaltungsmitarbeiter so geplant, dass das Material vor den terminierten Einsätzen – z.B. Wiederholungskurse – sauber und instandgestellt im Lager ist. Seit 2010 ist SAP ECC im Einsatz, nachdem die Ersterfassung der Materialien von einem Heer von Zusatzkräften unter Dach und Fach gebracht worden war. Nach gewissen Anfangsproblemen hat sich das System heute zu einer der Stützen der Arbeit der SCA (Supply Chain Automatization) und der ganzen LBA entwickelt. Heute sind dort 454'861 Artikel erfasst – 7'498 davon als Gefahrgut deklariert.
24.07.2015 | Autor
Jörg Naumann
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