Fachbereich: Studien & Marktanalysen
Erstveröffentlichung: 24.05.2015 Ausgedruckt am: 30.07.2017 |
Elektromobilität
Die möglichst einfache, schnelle und komfortable Überwindung von Distanzen ist für uns Selbstverständlichkeit geworden. Mobilität ist ein Grundbedürfnis in unserer zivilisierten Welt und Grundvoraussetzung für modernes Wirtschaften, und sie zeigt sich mit allen Errungenschaften der Technik kompatibel. Doch den derzeit mehrheitlich auf Verbrennungsmotoren basierenden Fahrzeugen (PW und LKW usw.) weht ein rauer Wind entgegen. Neue Technologien und verändertes Umweltbewusstsein setzen neue Akzente. Die Umweltbeeinträchtigungen der verbrennungsmotorischen Mobilitätssysteme sind allgegenwärtig. Gesetzliche Rahmenbedingungen un Auflagen, die vor allem den heutigen, mittels Verbrennungsmotor angetriebenen Fahrzeugen Einschränkungen in der Nutzung vorschreiben, rufen alternative, umweltfreundlichere Konzepte auf den Plan. Elektromobile stellen heute einen vollwertigen Ersatz dar, doch die Akzeptanz, allfällige Infrastrukturen, Beschaffungskosten und Umstellungsmöglichkeiten mittels politischer Rahmenbedingungen sind kaum vorhanden.
Das Tor zur Elektromobilität steht offenLange Zeit kamen Elektroautos nicht richtig in Fahrt: zu exotisch/futuristisch, zu teuer, wenig alltagstauglich im Vergleich zu Benzin- und Diesel-Fahrzeugen. Nun aber scheint der Wind zu drehen. Immer mehr Hersteller bringen Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt, die Technologien hierfür sind ausgereifter. Elektroautos... ... haben die Marktreife erlangt und sind damit vollwertige Transportmittel, ... passen hervorragend in die Mobilität der Zukunft, ... fallen nicht mehr durch futuristisches Design auf, … und sind eine Chance für die Schweizer Wirtschaft. (Technologieland Schweiz). Diese Maximen werden nachfolgend belegt. Gemäss der neuesten Studie des Marktforschungsunternehmens Frost & Sullivan macht der Weltmarkt für Elektrofahrzeuge enorme Fortschritte. Es werden mittlerweile weltweit mehr als 55 Modelle angeboten, die in bestimmte Zuordnungskategorien erhältlich sind. Mehr als 70 Prozent der auf dem Markt erhältlichen Modelle sind batteriebetriebene Elektrofahrzeuge und rund 25 Prozent Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge. Die Anzahl der Hybrid-angetriebenen Fahrzeuge wird sich wahrscheinlich in den nächsten drei bis vier Jahren massiv erhöhen. Nicht berücksichtigt sind Fahrzeuge mit Brennstoffzellen-Antrieb. Reine Elektromobile… verfügen über einen oder mehrere Elektromotore als Antriebsaggregat. Fast alle namhaften Automobilhersteller sind bereits mit eigenen Entwicklungen und Modellangeboten im E-Mobilmarkt vertreten. Die Kapazität der neusten Batterietypen erlaubt Reichweiten bis zu 300 Kilometer. Weil die Batterien schwer und relativ teurer sind, hat man die meisten Elektroautos auf eine Reichweite von ca. maximal 150 km ausgelegt. Hybridautos … …verfügen über eine Kombination von Verbrennungsmotor und Elektroantrieb. Aufgrund der relativ kleinen Batterie können Hybridautos nur wenige Kilometer rein elektrisch fahren. Meistens arbeiten Elektromotor und Verbrennungsmotor gemeinsam. Anstatt mit schweren, teuren Batterien kann das Problem der eingeschränkten Reichweite auch mit einem sogenannten Range Extender gelöst werden. Dabei handelt es sich um einen kleinen, zusätzlich zum Elektromotor eingebauten Verbrennungsmotor, welcher nicht mehr zum Antrieb der Räder genutzt wird. Seine Aufgabe ist lediglich die Stromproduktion, um die fast leer gefahrenen Batterien wieder aufzuladen. Bei längeren Fahrten entfallen somit die zeitraubenden Zwischenstopps für das Aufladen der Batterien. Laut der aktuellen Frost & Sullivan-Studie zum Weltmarkt für Elektrofahrzeuge lag der Umsatz für Elektrofahrzeuge im Jahr 2014 bei 304.683 Einheiten und wird in 2015 voraussichtlich 466.407 Einheiten erreichen. Ende dieses Jahres wird Nordamerika auch weiterhin den Markt mit einem Anteil von 36 Prozent anführen, wobei Japan und China jeweils mit einem Anteil von 27 bzw. 24 Prozent folgen. Auch der europäische Markt verzeichnet Wachstum, überraschend gut schneidet Norwegen ab. Einige (Welt-)Markt-AspekteWeltweit sind derzeit zwar erst gut 740.000 Elektroautos auf den Strassen unterwegs, doch die Marktdynamik ist gross und überall spürbar. Obwohl der Markt für Elektrofahrzeuge in allen Regionen wächst, hat der Gesamtumsatz die Erwartungen der Automobilhersteller bisher nicht erfüllt. Automobilherstellern in Europa und Nordamerika ist es nicht gelungen, ihre jeweils gesteckten Umsatzziele zu erreichen. Vor allem deshalb, weil Endnutzer ein zurückhaltendes Kaufverhalten zeigen, das auf die noch wenig bestehende Akzeptanz diesbezüglich neuer Technologien beruht, aber auch auf die lange Ladezeit für die Fahrzeuge und die fehlende Infrastruktur sowie den noch relativ hohen Anschaffungspreis. Auch wenn der Umsatz im US-amerikanischen Markt für Elektrofahrzeuge im Vergleich zu 2013 um 30 Prozent zugelegt hat, liegt die absolute Zahl lediglich bei rund 162.000 und hat somit die angestrebte Zielmarke von einer Million verkauften Einheiten im Jahr 2015 weit verfehlt. Im Zuge der Umsatzsteigerung versuchen Automobilhersteller die Energiedichte der Lithium-Ionen-Technologie zu verdoppeln, um die Reichweite der Elektrofahrzeuge zu verbessern.
Um den Absatz weiter anzukurbeln, setzen einige OEMs schwerpunktmässig auch auf verbesserte Versorgung und erweitern mithilfe von Partnerschaften die E-Mobil-Ladenetzwerke. Der US-Autobauer für E-Mobile, Tesla, baut hingegen selbst ein proprietäres Superladenetzwerk auf. Er betreibt bereits mehr als 120 Stationen in den USA, 75 in Europa und 25 in Asien, wo sich die Anzahl der Ladestationen bis Ende dieses Jahres voraussichtlich verdoppeln wird. General Motors verfügt zwar ebenfalls schon über ein E-Mobil, will aber laut einem Bericht zufolge jetzt ein relativ günstiges Auto mit reinem Elektroantrieb vorstellen und damit den jungen Konkurrenten Tesla angreifen. Der Wagen mit dem Namen "Chevrolet Bolt" soll 200 Meilen (rund 322 Kilometer) mit einer Akku-Ladung zurücklegen können und 2017 auf den Markt kommen. "Grosse EV-Original Equipment Manufacturer (OEMs) wie etwa BMW, Tesla und Daimler gehen davon aus, dass sie von Anreizen und Subventionen in China profitieren werden und haben damit klar vorgezeichnete Wachstumsstrategien, um sich fest auf dem Markt etablieren zu können", sagt der Frost & Sullivan Automotive & Transportation Senior Research Analyst, Prajyot Sathe. "Da jedoch die Fördermittel in China jährlich um fünf Prozent verringert werden, versuchen manche OEMs alternative Technologien wie etwa Brennstoffzellenfahrzeuge anzubieten, für die u.U. Anreize in Frage kommen würden."
In der Schweiz …… sind fast alle Mobilitätssysteme wie Luftfahrt, Wasser- & Seeverkehr sowie einer breit gefächerten Transportinfrastruktur zu Lande vorhanden. Speziell der Landverkehr präsentiert sich durch ein gut ausgebautes Strassennetz und einer feinmaschigen Bahninfrastruktur. Die gesamte Infrastruktur wird für alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbedürfnisse eingesetzt, sodass neue Konzepte eigentlich kaum erforderlich erscheinen. Dennoch muss die Schweiz, als eines am stärksten industrialisiertes Land der Welt und mit einem hohen Gesellschaftslebensstandard, insbesondere zu neuen Mobilitäts-Herausforderungen á jour bleiben. Zwar kämpft der Werkplatz Schweiz immer wieder mit verschiedenen Wirtschaftsproblemen, weil sich z.B. wegen der raschen Aufwertung der Währung die Lohnkosten in der Schweiz massiv verteuert haben. Doch in einer längerfristigen Perspektive zeigt sich, dass für derartige temporäre Wirtschaftsklippen kaum Grund zu Panik besteht – im Gegenteil: Die Schweizer Industrie/Wirtschaft steht gegenüber vielen anderen Wirtschaften gut aufgestellt da – auch hinsichtlich ihrer Mobilitätsmöglichkeiten – nicht zuletzt auch mit bzw. durch öffentliche Verkehrsträger. Auf ihre Flexibilitätsansprüche müssen hierzulande die Mobilitätsanbieter, im Wesentlichen Bahnen und Busunternehmen im öffentlichen Verkehr, mit neuen Angeboten und Geschäftsmodellen antworten, um der starken Konkurrenz zum bevorzugten Transportmittel, dem PW, entgegenzutreten. “Das Auto wird seine Rolle als Schlüsselelement der Fortbewegung für die Pendler wohl nicht verlieren, aber innovative Angebote der Bahnen können die starke Stellung des PWs schwächen”, meint der deutsche Unternehmer und Experte für Nachhaltigkeitsmanagement, Carl-Ernst Müller. Die sich überall abzeichnende Mobilisierungszunahme, insbesondere in städtischen Agglomerationen, wie vor allem in Indien und China zu beobachten ist, birgt weit grössere Probleme als ʹalltäglicheʹ Finanz- und Absatzschwierigkeiten der Unternehmen. In vielen Städten sind die ohnehin schon hohe Luftverschmutzung, die zu erwartenden Folgen für den Klimaschutz und die überlasteten Strassen nicht mehr wegzudiskutieren. Überspitzt gesagt besteht die Gefahr, dass das gegenwärtige, automobile PW-System mit Verbrennungsmotoren an seinem eigenen Erfolg scheitern könnte, wenn der gegenwärtigen Entwicklung nicht rechtzeitig etwas Besseres, Nachhaltigeres entgegengesetzt wird. Eine Alternative – und das ist recht realistisch – sind Elektroautos!
Wenn es um Elektromobilität geht, scheint der mobile Konsument in der Schweiz jedoch noch immer zögerlich zu agieren. Im Jahr 2011 wurden lediglich 452 Elektrofahrzeugzulassungen (0,14% vom Total) ausgesprochen. Insgesamt waren auf Schweizer Strassen 2011 gemäss dem Bundesamt für Statistik nicht mehr als 1044 (primär) elektrisch betriebene Personenwagen anzutreffen. Zudem plagt nach wie vor die Reichweitenangst, wobei auch die zukünftigen Forschungs- und Entwicklungsperspektiven im Bereich der elektromobilen Batterietechnologien umstritten sind.
Zunahme der ElektromobilitätHinsichtlich der Fahrzeugbereitstellung ist allgemein – und weltweit – eine stark steigende Vielfalt an Produkten und E-Mobiloptionen sowie eine zunehmende Produktspezialisierung festzustellen. Ebenso verlagern sich Wertschöpfungsanteile zunehmend von traditionellen Systemintegratoren in vor-, nach- und nebengelagerte Wertschöpfungsstufen, was ganz sicher auch neue Entwicklungschancen für Schweizer Fahrzeugtechnologieanbieter mit sich bringt. Der E-Mobilbereich gewinnt als ökonomische und nachhaltige Mobilitätsvariante zunehmend an Bedeutung. Die marktstrategischen Unsicherheiten für beteiligte Akteure sind allerdings gross. Dies hebt u.a. die Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zur eMobilität der Schweiz hervor. Der breit gefächerte Einsatz der Elektromobilität setzt ein heute noch nicht bestehendes Geschäftsökosystem voraus; ein integriertes Netz nachhaltiger Geschäftsmodelle, welches die nutzerabgestimmte Bereitstellung von Elektrofahrzeugen, Ladeinfrastrukturen und Mobilitätsdienstleistungen sicherstellt. „Bis heute bestehen nur vage Vorstellungen darüber, wie ein elektromobiles Geschäftsökosystem in der Schweiz konkret ausgestaltet sein könnte“, meinen die Verfasser der Studie, „sondern auch mit welchen Qualitäten, Ausprägungen und Schweizer Eigenheiten sie verbunden sein muss.“ Drei Leitfragen stehen dabei im Zentrum:
Im Jahr 2030 wird die Autoindustrie grossen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Nach wie vor hängen viele Arbeitsplätze von der Produktion von Automobilen mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren ab, weshalb die Politik die Elektromobilität nur zögerlich vorantreibt. Nur wenige Erlasse finden ihren Weg in die Gesetzgebung. Die kontinuierliche Reduktion des Schadstoffausstosses der Fahrzeuge gilt jedoch als Muss, denn CO2-Schadstoffzielreduktionen und die steigende Smogbelastung im metropolisierten Schweizer Flachland machen dies dringend erforderlich. Um die zunehmende Stauproblematik in den Griff zu bekommen, werden Konzepte wie Roadpricing ernsthafter und unmittelbarer als noch vor zehn Jahren diskutiert. Zur Berechnung der CO2-Emissionen ist beim Elektroauto der Strommix des Landes massgebend, in welchem es betrieben wird. In der Schweiz wartet das Elektroauto mit besonders günstiger CO2-Bilanz auf: Pro Kilowattstunde verbrauchte Elektrizität entstehen knapp 40 g CO2, wogegen in der EU von einem fast zehnmal höheren Wert ausgegangen wird – Ausnahme bildet Norwegen.. Norwegen ist in Europa Vorreiter in Sachen Elektromobilität –… vor allem dank der zahlreichen Kaufanreize für E-Mobile.In keinem anderen Land der Erde ist der Anteil von E-Mobilen an neu zugelassenen Autos so hoch wie bei den Skandinaviern. In diesem Jahr (2015) liegt er bislang bei 20 Prozent. Zum Vergleich: Im Autoland Deutschland liegt der Anteil bei 0,3 Prozent.
Der Elektroboom in Norwegen liegt vor allem an den grosszügigen Kaufanreizen wie massiven Steuerermässigungen und Befreiung von der Pkw-Maut. Ausserdem dürfen die Norweger ihre E-Mobile sowohl kostenlos parken als auch gratis die mehr als 4000 Ladestationen im ganzen Land nutzen. Damit könnte aber bald Schluss ein: Das Subventionsprogramm für Elektroautos droht nun am eigenen Erfolg zu scheitern. Denn die Zahl der Stromer, die von den staatlichen Unterstützungen profitieren sollten, war ursprünglich auf 50 000 Einheiten beziffert. Diese Marke ist bereits geknackt worden – drei Jahre früher als angenommen. Es gibt jedoch noch einen weiteren Kritikpunkt: Die Vergünstigungen werden nämlich offenbar von Leuten in Anspruch genommen, die ohnehin wohlhabend sind. So ist das meistverkaufte Elektroauto die Luxussportlimousine "Tesla Model S". Der norwegische Verband für Elektromobilität macht sich aber bereits für einen Erhalt der Kaufanreize stark. Denn nur zwei Prozent der Fahrzeuge auf den Strassen Norwegens seien batteriebetrieben. Das ist eine noch immer relativ kleine Zahl, auch wenn Norwegen damit vor dem Rest der Welt mit grossem Abstand führt. Das E-Mobilphänomen ist auch vor dem eigenen Wirtschaftsumfeld von Bedeutung: Norwegen erzeugt fast hundertprozentig seines Stroms aus Wasserkraft. Die Einführung batteriebetriebener Fahrzeuge ist somit ein effizienter Beitrag zur Senkung von CO2-Emissionen. Das Land möchte diese bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 verringern. Gleichzeitig ist Norwegen mit rund 3,7 Mio. Barrel Öl pro Tag Westeuropas grösster Erdöl- und Erdgasproduzent. Gemeinsam mit dem Offshore-Windparks macht der Energiesektor rund ein Fünftel der Wirtschaftskraft Norwegens aus. Der Umstieg auf E-Mobilität …… in der Schweiz ist aber nicht als Ausstieg aus dem verbrennungsmotorischen Umfeld zu sehen. Es sollte ein kontinuierlicher Prozess sein, der aber auch gezielt Anreize bietet. Denn für die stärkere Einführung der Elektromobilität in der Schweiz sprechen viele Gründe: Das Land ist überschaubar, als Pilotnation für die E-Mobilität ideal geeignet, weil ausreichend Ladestationen angeboten werden könnten, die verkehrsüberlasteten Städte würden einen hohen Beitrag zu Verringerung der CO2- und anderer Schadstoffe liefern, die durchschnittliche Kilometerleistung der meisten PW-Nutzer liegt unter der Grenze einer Batteriestandzeit und vieles mehr. Wer sich heute für ein Elektroauto entscheidet, kann davon ausgehen, kurze Distanzen – wie den durchschnittlichen Arbeitsweg – problemlos damit bewältigen zu können. Angesichts des stetig steigenden Mobilitätsbedarfs in der Schweiz sehen sich schliesslich auch die öffentliche Hand und Verkehrsanbieter zunehmend gezwungen, sich systematisch mit den Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen von Elektromobilität auseinanderzusetzen. Immer mehr Schweizer Städte und Instanzen binden Elektromobilität aktiv in ihre entwicklungsstrategischen und politischen Verkehrsplanungsarbeiten mit ein. Vor allem für städtische Kurierdienste – unter Umständen auch Taxis – könnten heute schon den Umstieg auf Elektromobile ohne Transportkosteneinbussen realisieren. Es muss nur der Wille vorhanden sein. Quellen:
24.05.2015 | Autor
Hans Joachim Behrend
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