Fachbereich: Maintenance
Erstveröffentlichung: 13.03.2015 Ausgedruckt am: 30.07.2017 |
IH-Management
Welche Möglichkeiten und Grenzen der Wrench Time sind in der Instandhaltung gegeben? Die Wrench Time (Wrench Time = "Schrauberzeit") beschreibt jenen Anteil der Gesamtarbeitszeit, den eine Instandhaltungsorganisation für ihre Kernaufgaben vor Ort an den Anlagen oder in der Werkstätte verwendet. Die Wrench Time definiert also jenen Anteil der Arbeitszeit, innerhalb der das Instandhaltungspersonal unter Anwendung von Werkzeugen operativ tätig ist. Aber es bestehen Interpretationskontroversen. Die Wrench Time (WT) wird mathematisch durch die operative Arbeitszeit (OA) zur Gesamt-Arbeitszeit (GA) definiert. OA (Schrauberzeit) WT = ------------------------- GA Die Definition der Wrench Time ist aber umstritten. Einigkeit besteht darin, dass nur die Vor-Ort-Zeit des Instandhaltungspersonals zur Ausführung der Instandhaltungsmassnahmen (Hauptzeit) den Zähler bilden soll. Alle anderen Zeitanteile (z.B. Werkzeuge vorbereiten, Material holen, Störung spezifizieren, Dokumentation erstellen) bleiben ausserhalb der Kennzahl. Kontrovers sind auch die Angaben zum Nenner. Fast immer werden geplante Anwesenheitszeiten der Mitarbeitenden herangezogen. Es besteht die Tendenz, eine möglichst lange Zeit einzusetzen – also auch Weiterbildungs-, Krankheits- und Urlaubszeiten sowie Feiertage. Dies führt zu kleinen Wrench Times und suggeriert fälschlicherweise hohe Rationalisierungspotenziale. Dementsprechend kontrovers wird die Anwendung der WT in Publikationen diskutiert (siehe z.B. Tor Idhammer "Let’s kill wrench time studies!", in Reliable Plant (5/2007)). A) InterpretationsaspekteUrsprünglich wurde bei der Anwendung der WT davon ausgegangen, dass das Instandhaltungsmanagement dafür sorgt, dass die Instandhaltungsmitarbeitenden einen möglichst hohen Prozentsatz ihrer Anwesenheitszeit mit operativen Arbeiten an den Anlagen verbringen. Zunehmend wird die WT verwendet, um die gesamte Managementleistung der Instandhaltung zu beurteilen(erweiterter Ansatz). Hierzu wird das Zeitspektrum des Instandhaltungspersonals in Zeitkategorien eingeteilt, die selektiv optimiert werden – aber immer im Sinne der gesamten Instandhaltungseffektivität und -effizienz. Insbesondere in Zusammenhang mit effizienzsteigernden Konzepten wie Lean Management hat sich dieser erweiterte Ansatz bewährt. Beim erweiterten Ansatz wird in folgende Zeitkategoriengegliedert:
Sowohl wertschöpfende Nebenzeiten als auch verlustbehaftete Nebenzeiten sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Effizienz zu optimieren. So ist beispielsweise für die Auftragsplanung sicherzustellen, dass diese durch Anwendung von geeigneten Planungstools und einer optimal angepassten Methodik mit geringstem, möglichem Zeitaufwand effizient durchgeführt wird. Es gilt also für alle Nebenzeiten, dass vermeidbare Zeitanteile identifiziert und verhindert werden. B) Zeitanteile und übliche Orientierungswerte für die WTDie nachfolgende Tabelle zeigt beispielhafte Elemente zu den einzelnen Zeitkategorien, die als Berechnungsgrundlage für den erweiterten WT-Ansatz verwendet werden. Hinweis: Ein zu weiter Ansatz der gesamten Arbeitszeit inkl. Sozialzeiten widerspricht dem Messanliegen der WT. Da das Instandhaltungsmanagement keinen Einfluss auf Feiertage und auf Ergebnisse von Tarifverhandlungen und Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit hat, sollte der Nenner der oben erwähnten Gleichung die tatsächlichen Arbeitsstunden der Periode beinhalten. Erfahrungsgemäss liegen die Zeitanteile für die WT in einer reaktiven Instandhaltung meist zwischen 20% und 30% der gesamt verfügbaren Arbeitszeit. Eine gute Arbeitsplanung kann den Wert der WT auf über 50% erhöhen. Weltklassewerte für die WT liegen bei ca. 70% (siehe Abbildung). C) Prinzipien, Chancen und Risiken zur Anwendung der WTDie WT wird in ihrer Anwendung sehr widersprüchlich diskutiert. Dennoch kann sie als ergänzende Kennzahl sinnvolle Beiträge zur Steuerung der Effektivität bzw. Effizienz einer Instandhaltungsorganisation liefern. Wesentlich ist jedoch, dass die WT (sowohl im ursprünglichen als auch erweiterten Ansatz) immer im Kontext mit möglichen Verlusten durch IH-bedingte Abstellungen der Produktionsanlage zu sehen ist. Da in der Regel solche Verluste wesentlich höher sind (sofern Vorgaben für eine hohe Anlagenverfügbarkeit definiert und bekannt sind), kann sich in einem solchen Fall eine überproportionale Intensivierung der Planung und Arbeitsvorbereitung durchaus bezahlt machen – obwohl dies zwangsweise zu einer Verringerung der WT führt. Ein Monitoring der WT (wertschöpfende Hauptzeit) ermöglicht:
Durch Anwendung des WT-Monitorings in Verbindung mit einer Nebenzeitanalyse sind folgende ergänzende Möglichkeiten gegeben:
Hinweis: Eine Nebenzeitanalyse (in Form einer Multimomentaufnahme oder Zeitstudie) analysiert die Art und den Umfang der wertschöpfenden und verlustbehafteten Nebenzeiten sowie deren Ursachen; sie ermöglicht eine gezielte Ursachenanalyse und Ableitung von Verbesserungsmassnahmen zur Minimierung von Zeitverlusten. Die folgende Tabelle zeigt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen WT-Monitoring und Nebenzeitenanalyse auf: Die Anwendung der Wrench Time als Steuerungskennzahl erfordert die Einhaltung folgender Voraussetzungen:
Die Anwendung folgender Instrumente bzw. Methoden hat sich zur Ermittlung der Datenbasis in der Praxis bewährt: CHANCEN durch Anwendung der Wrench Time:Ausgehend von einer Erfüllung der vorstehenden Anforderungen sind mit Anwendung der WT als Steuerungskennzahl nachfolgende Chancen und Risiken verbunden:
Die WT kann als Vergleichs- und Abrechnungsbasis für normierte Arbeitsinhalte verwendet werden; dazu zählen z.B. Tausch von Bauteilen, Durchführung von Inspektions- und Wartungsmassnahmen oder Standardreparaturen. Die Anwendung der WT zur Leistungsbewertung setzt voraus:
2. Bezahlung von (externen) IH-Leistungen auf Basis der WT. Dienstleister können für jene Arbeitszeit bezahlt werden, in denen operative Leistungen an Produktionsanlagen bzw. an Anlagenteilen in der Werkstatt erbracht werden. Hier stellt die WT aus Sicht des Dienstleisters tatsächlich den wertschöpfenden Zeitanteil dar. Dementsprechend wird der Dienstleister in eigenem Interesse alle anderen (oft pauschalierten) Aufwendungen möglichst gering halten. Dazu zählen einerseits verlustbehaftete Nebenzeiten wie Warte-, Such- oder Wegzeiten; ev. sind aber auch effektivitäts- und effizienzfördernde Planungs- Analyse- und Optimierungszeiten betroffen. Somit ist seitens des Auftraggebers darauf zu achten, dass die ʹrichtigenʹ Zeitanteile minimiert werden. 3. Die WT als Kennzahl zur Optimierung von verlustbehafteten Nebenzeiten. Mit Fokus auf die Minimierung von verlustbehafteten Nebenzeiten bildet die WT eine Beurteilungsbasis für das IH-Management. Es können durch die Kombination von WT und Nebenzeitanalyse beispielsweise Prozessverbesserungen zur Senkung der Anlagenausfallzeiten erkannt werden (z.B. je schneller der Zugriff auf Ersatzteile erfolgen kann und je kürzer Weg- und Wartezeiten sind, umso kleiner sind die Anlagenausfallszeiten). Aus dieser Perspektive kann die WT eine nützliche Kennzahl sein, um effizienzhemmende Ursachen in der Abwicklung von IH-Massnahmen zu identifizieren und zu beseitigen. RISIKEN durch Anwendung der Wrench Time:1. WT kann moderne Organisationsformen in Produktion und Instandhaltung gefährden. Insbesondere die Ansätze „Lean Management“ oder „Total Productive Maintenance (TPM)“ erfordern bzw. fördern die umsichtigen Instandhalter, die Schwachstellen und Schadensursachen erkennen, nachhaltige Störungsanalysen durchführen und Verbesserungsmassnahmen ableiten. Ein ʹfalscherʹ Fokus auf die WT kann die Bedeutung der wertschöpfenden Nebenzeiten untergraben und die Umsichtigkeit des IH-Personals für diese Tätigkeiten behindern bzw. minimieren. Zu diesem Punkt zählt bspw. auch das Risiko, dass sich Instandhaltende nicht um die sorgfältige Spezifikation und Übernahme von Neuanlagen kümmern, weil diese Tätigkeiten die WT reduzieren. Eine mögliche Erhöhung der Hauptzeit zulasten der Zeit für Anlagenspezifikationszeit und Anlagenübernahme kann aber zu erhöhtem IH-Bedarf und Verschlechterung der Anlageninstandhaltbarkeit führen; das kann in weiterer Folge in einer Zunahme von ausfallorientierten IH-Massnahmen an der Neuanlage resultieren und die WT erhöhen. Damit wird eine schlechtere Instandhaltungsperformance kurioserweise positiv dargestellt. 2. Die Maximierung der WT stellt einen falschen Fokus für das IH-Management dar. Aufgabe des Instandhaltungsmanagements ist die Sicherstellung der bedarfsgerechten Anlagenverfügbarkeit/-zuverlässigkeit unter der Prämisse grösster Wirtschaftlichkeit. Nachdem die WT einen Teil der Anlagenausfallszeit darstellt, kann sich die Maximierung der WT eventuell negativ auf ausfallzeitminimierende Verbesserungsansätze (z.B. Material- oder Dokumentationsvorbereitung, Mitwirkung bei Störungsursachenanalysen) auswirken. Denn bei verfügbarkeitskritischen Anlagenteilen muss ähnlich wie bei der Rennsport-Formel 1 gelten: Die Zeit für den Boxenstopp soll möglichst kurz sein und nicht möglichst lang. 3. Die tatsächliche Leistungsfähigkeit von IH-Massnahmen wird durch die WT nicht gesteuert. Kann das Instandhaltungspersonal z.B. aufgrund mangelhafter Qualifikation, stark verschmutzter Anlagenzustände oder schlechter Zugänglichkeit zu Anlagenbauteilen langsamer arbeiten, erhöht sich die WT. Somit wird tendenziell die WT-Kennzahl besser – obwohl sich die Leistungsfähigkeit der Instandhaltung verschlechtert. Die WT fördert dadurch möglicherweise negative Entwicklungen. Die Wahl des richtigen Beurteilungsmassstabes bei Anwendung der WT ist von besonderer Bedeutung: Gut qualifizierte IH-(Gruppen) mit effizienten Abläufen sind trotz kleiner WT als „Good Practice“ auszuweisen. Und bei Instandhalter(gruppen) mit tendenziell hoher WT ist ggf. die tatsächliche Leistungsfähigkeit zu prüfen – ob diese durch entsprechende Verbesserungsmassnahmen hinsichtlich Qualifikation, Arbeitsvorbereitung, Werkzeugnutzung, usw. in ihrer Leistungseffizienz gefördert werden können. 4. Verunsicherung und Demotivation bei den Instandhaltern. Es besteht das Risiko, dass Instandhaltende das Ergebnis einer WT-Kennzahl als unfaire Bewertung ihrer Arbeitsleistungen interpretieren. Eine falsche Interpretation führt dazu, dass eine schnelle, effiziente Arbeitsausführung als "negativ" betrachtet wird, weil sich die WT dadurch reduziert; oder dass die Erhöhung der WT in Richtung "bessere" Kennzahl manipuliert wird. D) Fazit zur Anwendung der WT als SteuerungsgrösseFür die Anwendung der WT als Steuerungskennzahl werden nachfolgende Aussagen zusammengefasst:
Die WT soll im Rahmen des IH-Managements ausschliesslich als ergänzendes Steuerungsinstrument angewendet werden, und zwar mit dem klaren Fokus die verlustbehafteten Nebenzeiten des IH-Personals zu erkennen und zu minimieren. Autor: DI Dr. Andreas Dankl; Dankl+Partner Consulting GmbH, MCP Deutschland GmbH, Röhrenweg 14, A - 5071 Wals, www.dankl.com
13.03.2015 | Autor
Hans Joachim Behrend
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