Lohnentwicklung

Zunehmend von Bescheidenheit geprägt

Der Nominallohnindex stieg in der Schweiz im Jahr 2013 gegenüber 2012 um 0,7% und erreichte 102,6 Punkte (Basis 2010=100). Aufgrund einer negativen Jahresteue­rung von –0,2% ergab sich bei den Reallöhnen eine Zu­nahme um 1,0% (103,3 Punkte gemessen an der Basis 2010=100). Das war nicht immer so. In der Hochkonjunktur der ersten Hälfte der 70er-Jahre haben auch die Arbeitnehmer profitiert. Doch seither  haben die Lohnzuwächse nie mehr die Grössenordnung dieser Zeit erreicht. Zuletzt profitierte die Kaufkraft der Löhne sogar von einer negativen Preisentwicklung. 

Ob es nur die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Eindämmung der Finanzkrise oder vor allem das Risiko einer wirtschaftlichen Verschlechterung war, die Schweizer Arbeitgeber entschieden sich 2012 mit Blick auf 2013 für eine ähnlich vorsichtige Lohnanpassungspolitik wie in den drei vorangehenden Jahren (2010: +0,8%, 2011: +1,0% und 2012: +0,8%). Mit ihrem Gebot von +0,7% lag die Nominal­lohnerhöhung dann aber über der Teuerung, die zum Zeitpunkt der Lohnverhandlungen im Herbst 2012 fälschlicherweise auf zwischen +0,2% und +0,5% geschätzt wurde. Weil die Infla­tionsrate schliesslich -0,2% betrug, führte dies zusam­men mit der nominalen Erhöhung zu einem Reallohnan­stieg von 1,0%.

2013 von Vorsicht geprägt

Entwicklung der Nominallöhne 2013 nach Wirtschaftszweig  
Reallohnentwicklung 2013 nach Wirtschaftszweig_Sektor II  
Nominallohnentwicklung nach Geschlecht  
Entwicklung der Reallöhne von 1950-2013  
   

Der sekundäre Sektor wies 2013 eine nominale Lohnentwicklung von +0,7% auf. Die höchsten Lohnanstiege des Industriesektors wiesen die Wirtschaftszweige «Maschinenbau und Einrichtun­gen, Herstellung von Automobilen und sonstiger Fahr­zeugbau», «chemische und pharmazeutische Industrie» und «Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnis­sen, Uhren, elektrischen Ausrüstungen» auf. Diese Wirtschaftszweige zeichnen sich durch ihre ausge­dehnte Forschung und Entwicklung und einen hohen Ex­portanteil aus. Die Nominallohnzunahme im Baugewerbe lag bei 0,5%. In den Wirtschaftszweigen «Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Energie- und Was­serversorgung, Abfallentsorgung» und «Herstellung von Nahrungsmitteln und Getränken; Tabakverarbeitung» blieben die Nominallöhne unverändert. Die beiden letzt­genannten Wirtschaftszweige konnten aufgrund der ne­gativen Teuerung von –0,2% von einem sehr leichten Reallohnanstieg profitieren. 

Grosse Streuung im Dienstleistungsbereich

Der tertiäre Sektor verzeichnete ein Nominallohn­wachstum von 0,8%. Die Wirtschaftszweige «Freiberufliche, wissen­schaftliche und technische Dienstleistungen» sowie «Informationstechnologie und Informationsdienst­leistungen» wiesen die stärksten Lohnsteige­rungen auf. Es folgen der Detailhandel und die öffentliche Verwaltung. Am anderen Ende der Rangliste registrieren der Grosshandel und der Wirt­schaftszweig «Kunst, Unterhaltung und Erholung, sons­tige Dienstleistungen» stagnierende Nominallöhne.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Zwischen 2012 und 2013 nahmen die Nominallöhne der Männer um 0,8% und jene der Frauen um 0,7% zu. Der Reallohnanstieg liegt entsprechend bei 1,0% bzw. 0,9%. Seit 2006 werden bei der Indexberechnung Daten von Frauen mit Teilzeitbeschäftigung berücksich­tigt. Somit wird der Tertiärisierung der Wirtschaft mit all ihren Folgen – vermehrte Berufstätigkeit der Frauen, Ent­wicklung der Teilzeitarbeit – Rechnung getragen. Män­ner mit Teilzeitbeschäftigung wurden erst 2011 in die Be­rechnung aufgenommen.

Lohnentwicklung in den 1950er...

Mit Ausnahme des Jahres 1951 wuchsen die Nominal­löhne von 1950 bis 1978 stärker als die Konsumenten­preise, wodurch die Kaufkraft der Löhne jedes Jahr stieg. Ab 1976 erlitten diese Wachstumsraten als Folge der ers­ten Erdölkrise von 1973 Einbussen. Die Löhne orientier­ten sich stärker an der Preisentwicklung als in den Jah­ren zuvor. Die Verlaufskurve der Reallöhne folgte nun einem unregelmässigen Zickzack-Kurs um den Nullwert. 1979, im Jahr der zweiten Ölkrise, sank die Kaufkraft der Löhne erstmals seit 30 Jahren – mit Ausnahme von 1951 – was auf die Erhöhung des Preisniveaus (+5%) zu­rückzuführen war. Die Auswirkungen dieser zweiten Öl­krise bremsten das Wirtschaftswachstum zu Beginn der Achtzigerjahre. Eine generelle Konsumentenpreiserhö­hung in dieser Periode hatte einen Rückgang der Real­löhne zur Folge. Ab 1984 und bis zum Ende des Jahr­zehnts befand sich die Schweizer Wirtschaft wieder auf dem Wachstumspfad.

... und den 1990er-Jahren

Zu Beginn der 1990er-Jahre führte die instabile interna­tionale Lage (Invasion und Krieg in Kuwait, Auflösung der Sowjetunion, Explosion der Erdölpreise, Entwicklung der EU) zu einer Verlangsamung des globalen Wachs­tums mit negativen Konsequenzen auch für die Schwei­zer Wirtschaft. Als Folge musste sich die Schweiz sieben Jahre lang mit einer Stagnation der Wirtschaft ausein­andersetzen (1990–1996). Die Rezession von 1990 bis 1993 schlug sich in einer hohen Inflationsrate nieder und zog einen Verlust der Kaufkraft der Löhne nach sich. Von 1994 bis 1996 wurde die Inflation eingedämmt und das BIP verzeichnete ein leichtes Wachstum. Die No­minallohnentwicklungsrate erreichte den tiefsten Stand seit den 1950er-Jahren und die Reallohnentwicklungs­rate bewegte sich um den Nullwert herum. Im Jahr 1997 ging das wirtschaftliche Tief für die Schweiz schliesslichzu Ende. Der Wirtschaftsaufschwung hielt 1998 an, wenn auch etwas verlangsamt, denn die 1997 entfachte Krise in Asien wirkte sich über die Finanzmärkte auf das westliche Wirtschaftssystem aus. Beeinflusst durch Preis­erhöhungen bei den Energieerzeugnissen und durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer um 1% schwächte sich 1999 das Wirtschaftswachstum mit einem BIP-Wachs­tum von nur noch 1,3% (+2,8% im Vorjahr) und einerhöheren Inflationsrate wieder ab. Von 1997 bis 1999 verharrte das Nominallohnwachstum unter 1% und die Reallöhne blieben praktisch unverändert. Die ersten konkreten Auswirkungen des 1997 aufgetretenen Wirt­schaftsaufschwungs zeigten sich erst im Jahr 2000.

Medium- und Hightech-Branche tonangebend

Zwischen 2000 und 2009 erhöhten sich die Nominal­löhne über die ganze Wirtschaft hinweg gesehen um durchschnittlich 1,6% pro Jahr. Über diesen Zeitraum von zehn Jahren haben die Reallöhne durchschnittlich um 0,6% pro Jahr zugelegt. Im sekundären Sektor wird die Lohnentwicklung am stärksten von den sogenann­ten «Medium- und High-Tech-Branchen» beeinflusst. Es sind dies insbesondere die chemische Industrie (no­minal +23,5%, real +12,3%) sowie die Herstellung elek­trischer und elektronischer Geräte und die Feinmecha­nik (nominal +18,6%, real +7,9%). Im tertiären Sektor registrierten das Finanzgewerbe (Kreditgewerbe [nomi­nal +21,3%, real +10,4%] und Versicherungen [nominal +19,7%, real +8,9%]) sowie die Nachrichtenübermitt­lung (nominal +20,9%, real +10,0%) die stärksten Zu­nahmen.

Reallohnrückgang trotz hohem BIP-Zuwach

Im Jahr 2000 erlebte die Schweizer Wirtschaft einen deutlichen Aufschwung. Das BIP erreichte mit +3,6% den höchsten Wert seit zehn Jahren. Zusammen erga­ben das Nominallohnwachstum von 1,3% und die In­flation von 1,6% jedoch einen Reallohnrückgang von 0,3%. Im Jahr 2001 wurde im Vergleich zu den Vorjahren ein ausserordentliches Lohnwachstum verzeichnet (No­minallöhne: +2,5%, Reallöhne: +1,5%). 2002 (+1,8%), 2003 (+1,4%) und 2004 (+0,9%) legten die Nominal­löhne weiter zu, auch wenn sich die Entwicklung zwi­schen 2001 und 2003 aufgrund eines Konjunkturrück­gangs verlangsamte. Dank der niedrigen Inflationsrate stiegen die Reallöhne in den Jahren 2002, 2003 und 2004 um 1,1%, 0,8% bzw. 0,1%. Ab 2005 nahmen die Nominallöhne regelmässig zu (2005: 1,0%; 2006: 1,2%; 2007: 1,6%; 2008: 2,0% und 2009: 2,1%). Von 2005 bis 2008 schwankten die Reallöhne zwischen –0,4% und +0,9%. Das Jahr 2009 zeichnet sich durch eine starke Zunahme der Reallöhne um 2,6% aus, die auf einen No­minallohnanstieg von 2,1% gekoppelt mit einer negati­ven Inflation von –0,5% zurückzuführen ist. 

Zur Studie

 

12.10.2014 | Autor Jörg Naumann

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