Fachbereich: Facility Management
Erstveröffentlichung: 02.06.2014 Ausgedruckt am: 30.07.2017 |
SEPAWA-Fachgruppe Reinigung
In Rapperswil fand Ende März 2014 eine Veranstaltung der SEPAWA-Fachgruppe «Professionelle Reinigung & Pflege» unter dem Thema «Hygieneanforderungen und Innovationen im Gesundheitswesen». In sieben Vorträgen wurde das Thema breit erörtert, mit Schwerpunkt auf Desinfektion, Reinigungsprozessen und neuen Herausforderungen an die Hygiene. (1. Teil) Zur Einstimmung stellte Dr. Heiko Faubel(Geschäftsführer des Industrieverband Hygiene und Oberflächenschutz IHO, Frankfurt/M.) in seinem Beitrag «Desinfektion & Hygiene, Rahmenbedingungen und Perspektiven» die Aktivitäten des IHO vor. Der IHO vertritt die Hersteller von Reinigungs-, Desinfektions- sowie von Wasch- und Pflegemitteln für den professionellen Bereich der technischen Reinigung und der Metallindustrie. Der Jahresumsatz der 52 Mitgliedsfirmen liegt bei rund 800 Mio. Euro. Der IHO repräsentiert rund 90% des Marktes. Es handelt sich um eine stark anwendungsorientierte Branche mit konstantem Wachstum (ca. 3%) und einer überproportional hohen Forschungsquote (ca. 4%). Rund ein Drittel der Anwendungen beziehen sich auf Desinfektion. Dabei kommen in aller Regel gewerbliche Maschinen zum Einsatz. Steigende Rohstoffpreise und sinkende Verkaufserlöse sind derzeit die Hauptsorgen. Die Branche wird wegen der hohen Bedeutung der Desinfektion häufig analog zum Pflanzenschutz wahrgenommen, also als Teil der «bösen Chemie», da vermeintlich schädlich für den Verbraucher und für die Umwelt. Für den Bereich Gesundheitswesen ist allerdings die Bewertung der Branche tendenziell besser. ((Abb. 1: Kunden und Anwendungen im Gesundheitswesen)) Schwerpunkte des IHO sind beratende Tätigkeiten, die Erstellung von Leitfäden und Desinfektionsmittellisten sowie vorbereitende Arbeiten für gesetzliche Bestimmungen. Der IHO bemüht sich, den Nutzen von Desinfektion und Hygiene herauszustellen, insbesondere die Vermeidung von Krankheiten und die Sicherheit der Produkte. Die wichtigsten Fachbereiche sind Gebäudereinigung, Grossküchen, Wäschereitechnik, Metallindustrie und Gesundheitswesen. Im Gesundheitswesen stehen die Kunden (Krankenhäuser, Altenheime, Pflegeheime, Arztpraxen) und die Anwendungen (Oberflächenhygiene, Händehygiene, Instrumentenaufbereitung, OP-Desinfektion) im Fokus. Immer stärker spielen europäische Reglementierungen eine Rolle, die zu höherem Bürokratieaufwand und höheren Kosten führen (Bsp.: Biozidrichtlinie, REACH). Die unter REACH fallenden Stoffe werden härter reglementiert als zuvor, aber hierdurch ist nicht zwangsläufig ein grösserer Sicherheitsgewinn zu erwarten. Hierin sieht der IHO mittelfristig eine Gefahr für die Existenz mittelständiger und kleiner Firmen. Wirkstoffe und Produkte werden vom Markt verschwinden. Investitionen in die Entwicklung neuer Rohstoffe lohnen sich in Zukunft kaum noch. Das 2012 in Düsseldorf gegründete Unternehmen hat eine Markenstrategie für validierte Reinigungsdienstleistungen im Gesundheitswesen eingeführt. Ziel ist dabei das Erleben und die bewusste Wahrnehmung eines vorherrschenden Reinigungsstandards in der Krankenhaus- und Zimmerreinigung für Patienten. Die Qualität der Reinigungsdienstleistung wird durch definierte Indikatoren überwacht und garantiert. Eine quantifizierbare Messung der Qualität wird durch Validierung der Einzelschritte erreicht. Bei der Reinigungsvalidierung wird der Blick auch auf die begleitenden Prozesse gerichtet und Schnittstellen identifiziert. Das System stellt sich als transparent und nachvollziehbar dar. Es geht dabei auch um die Wahrnehmung der geleisteten Reinigungs- Desinfektions- und Aufbereitungsdienstleistungen, die zumeist in den Verantwortungsbereich der Hygienefachkräfte in Krankenhäusern fallen. Das System unterstützt die Würdigung der gemeinsam erbrachten Leistungen und zeigt bewusst die allgegenwärtig zu lebende Hygiene aller Prozessbeteiligten durch ein «fokussiertes Qualitätsmanagement» und durch Prozessvalidierung auf. Prof. Dr. J. Ohme (Hochschule Niederrhein, Krefeld) präsentierte das Thema «Verbesserung der Compliance bei der Oberflächendekontamination in Krankenhäusern». Der Flächendesinfektion wird, im Gegensatz zur Medizinprodukteaufbereitung und Antiseptik, tendenziell eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Im Gesundheitswesen beobachtet man immer häufiger Umsetzungsdefizite bei der Flächendesinfektion, die durch zunehmende Komplexität der Anforderungen an verschiedene Erreger und komplexe, teilweise schwer nachvollziehbare Regelungen verursacht werden. So werden z. B. Reinigung und Flächendesinfektionen meistens in einem Arbeitsgang morgens durchgeführt. Daraus folgt ein «offenes Fenster» für Erreger in den folgenden 23 Stunden, in denen Rekontamination und das Wachstum von Mikroorganismen stattfinden kann. Auch erfolgt in der Regel keine Anpassung an die Infektionsrisiken. Einigkeit besteht darüber, wie Flächendesinfektion zu erfolgen hat: keine ungezielte, routinemässige Desinfektion und eine unverzügliche Wischdesinfektion nach Kontamination mit Blut, Urin etc. Hygienefachkräfte und hygienebeauftragte Ärzte werden häufig nicht ausreichend gut ausgebildet. Die Entscheidung darüber, welche Oberflächen desinfiziert werden müssen, kann anhand der KRINKO-Empfehlung (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention) erfolgen, welche Risikobereiche definiert. Voraussetzungen für eine gleichbleibende Umsetzung von Hygiene sind zum einen, dass das Wirkungsspektrum der eingesetzten Flächendesinfektionsmittel alle Krankheitserreger der betreffenden Patientenzimmer und sonstigen Räume umfassen, und zum anderen, eine hohe Mitarbeiterakzeptanz. Idealerweise koordiniert eine versierte Person die Durchführung der Flächendesinfektion. Ein verständliches Dokument sollte die Zuordnung der Desinfektionsmittel zu den Erregern regeln. Wichtig ist auch die Identifikation von hygienetechnischen Schwachstellen, z. B. bei der Nutzung von Vliestüchern oder in OP-Sälen, und eine adäquate Schlussdesinfektion von Isolierzimmern. Klare Betriebsanweisungen sorgen für eine Compliance-Steigerung, die zu einer gleichbleibenden Reinigungsqualität auf sicherem hygienischen Level führt. Händehygiene und Infektionen Wolfgang Merkens (Schülke & Mayr GmbH, Norderstedt) berichtete über «Compliance zur Prävention von Krankenhausinfektionen - Beispiel Händehygiene». Infektionen spielen weltweit eine grosse Rolle. Rund 1/3 der Weltbevölkerung ist an Tb infiziert. Drei Millionen Menschen sterben jährlich an HIV. Rund 5% der in Deutschland in einem Krankenhaus behandelten Patienten erleidet eine nosokomiale Infektion. Daher sind Aufmerksamkeit und Disziplin im Gesundheitswesen, und damit die Compliance der Hygiene, wichtige Voraussetzungen für eine Minimierung der Infektionsrisiken. Die Bewertung und Verarbeitung von Risiken gehen häufig einher mit einer allgemeinen paranoid-hysterischen Risikoangst vor subjektiv vermeintlichen Risiken (z. B. Gentechnik, Schweinegrippe) und mit der perfekten Verdrängung von objektiv identifizierten Risiken (z. B. Bergsteigen, Massenveranstaltungen). Seit den Untersuchungen von Semmelweis im 19. Jahrhundert ist der klare Zusammenhang zwischen Händehygiene und mütterlicher Sterblichkeit auf Geburtenstationen eindeutig belegt. Der Assistenzarzt Philipp Semmelweis hatte entdeckt, das in der Ersten Abteilung der Wiener Gebärklinik zwei- bis dreimal so viele Frauen im Wochenbett starben wie in der Zweiten Abteilung. In der «Zweiten» wurden die Frauen ausschliesslich von Hebammen versorgt. Zur «Ersten» hingegen hatten auch Medizinstudenten Zutritt. Die Sterblichkeit in der Ersten Abteilung sank schlagartig, als Semmelweis die Studenten anhielt, sich die Hände zu waschen, bevor sie eine der Frauen untersuchten. Im Jahre 1879 Identifizierte dann Louis Pasteur einen Bakterienstamm als Erreger des Kindbettfiebers. Seither sind Hygiene und weitgehend keimfreie Umgebung auf den Geburtsstationen oberstes Gebot. Eine andere Untersuchung dokumentiert einen über den Zeitraum von 2007-2011 steigenden Desinfektionsmittel-Verbrauch und die Zunahme der Anzahl der Händedesinfektionen pro Patienten-Tag (KISS – Krankenhaus Infektions Surveillance System). Die Ergebnisse einer aktuellen in Lancet veröffentlichen vierjährigen Studie in Krankenhäusern zeigt, dass mit Steigerung der Compliance die Anzahl an NKI-Fällen und MSRA-Übertragungen signifikant fällt. Aus Untersuchungen aus dem Jahre 2009 zur Messung der Nutzung der Händedesinfektionsspender in einem Krankenhaus mittels elektronischer Erfassung geht allerdings ein Wochen- und Tagesprofil hervor: die höchste Nutzung erfolgt von Dienstag bis Donnerstag zwischen 7:00 und 11:00 h. Die in einem Genfer Krankenhaus ermittelte Compliance ist geringer bei Ärzten als bei Krankenschwestern. Sie ist geringer auf der Intensivstation als im OP-Bereich: erstaunlicherweise nimmt die Compliance vom low-risk zum high-risk-Bereich ab. Bei Krankenhauspersonal wurde eine Steigerung der Compliance bei Vorhandensein von Wandspendern (45%) zu am Bett fixierten Spendern (63%) zu Kittelflaschen (81%) beobachtet. Untersuchungen zeigen auch, dass die Kontaktzeit des Desinfektionsmittels, die mindestens 30 Sekunden betragen sollte, von vielen Nutzern unterschritten wird und abhängt von der applizierten Menge des Desinfektionsmittelpräparats. Grundsätzlich geht von jeder Person, ob Mediziner, Kranken- & Pflegepersonal oder Besucher ein hygienisches Risiko aus, da der Mensch als natürliches Bakterienreservoir als Vektor (Überträger) funktioniert. Herr Merkens stellte für Handlungsempfehlungen treffend fest: «Prävention schlägt Infektion, nimm‘ die Menschen wie sie sind und betreibe ein aktives Risikomanagement». Sicherheitsmanagement bei Spital-Hygiene Der Beitrag von Dr. med. Gerhard Eich (Stadtspital Triemli, Zürich, Abt. Infektiologie und Spitalhygiene) lautete «Risiko- & Sicherheitsmanagement bei der Hygiene von Produkten und Dienstleistungen im Spitalbereich». Eine Schweizer Prävalenzstudie an über 4000 Patienten in 18 Krankenhäusern ergab, dass 11% der Patienten von nosokomialen Infektionen betroffen sind. Die unterschiedlichen Auslöser (Viren, Bakterien, Pilze), die Infektionsabwehrmechanismen und die Pathogenitäten wurden dargestellt. Der Mensch lebt, allgegenwärtig umgeben, inmitten von Mikroorganismen. Die meisten davon sind ungefährlich (Umweltflora), nur wenige können unser Immunsystem überwinden. Allerdings können bei immungeschwächten Personen sonst ungefährliche Mikroorganismen Infektionen verursachen. Infektiöse Dosen sind sehr unterschiedlich: während bei Noro-Viren schon 10-100 Viren ausreichen, liegt die infektiöse Dosis bei Salmonella enteritidis bei 100 000 Bakterien. Die Infektanfälligkeit hängt von vielen Faktoren ab, so z. B. von Alter, Durchblutung, Ernährung und Wunden/Verletzungen. Als Übertragungsweg von Mensch zu Mensch kommen kleine Tröpfchen (Aerosole), grosse Tröpfchen und direkter Kontakt, z. B. über Hände, oder durch Schmierinfektionen in Frage. Beispiele für Aerosol-Übertragung sind Tuberkulose und Masern. Atemwegsinfektionen und Meningokokken werden durch grössere Tröpfchen übertragen. Im Krankenhaus gibt es ein ständiges Wechselspiel zwischen Patient, Mitarbeiter und Umgebung. Die wichtigste Massnahme zur Vermeidung der Keimübertragung von Mensch zu Mensch oder von Umgebung zu Mensch ist die Händedesinfektion, gerade im Hinblick auf das patientennahe Umfeld. Daneben spielen die Instrumentenaufbereitung, eine hygienische Arbeitsweise und die Umgebungsdesinfektion eine wichtige Rolle. Zu den Massnahmen zur Risikoreduktion gehören die adäquate Desinfektion der Zimmer und die Schlussdesinfektion nach Verlassen des Zimmers durch den Patienten. Die Verschleppung besonders resistenter Keime wird durch Isolierzimmer und spezielle Schutzmassnahmen gewährleistet. Ein Desinfektionsplan, in dem geregelt wird «wer, was, wann und wie» reinigt und desinfiziert, ist sehr hilfreich. Routinemässige Abklatschversuche werden nicht empfohlen, da keine Grenzwerte für die Keimkonzentrationen festgesetzt sind und ohnehin eine rasche Rekontamination nach Reinigung/Desinfektion stattfindet. Eine Qualitätskontrolle zur Sicherstellung der korrekten Dosierung der Desinfektionsmittel, der Einhaltung der Standzeiten und der Einwirkzeiten sollte routinemässig erfolgen und entsprechend dokumentiert sein. Eine hygienisch saubere Umgebung führt zwar nicht zwangsläufig zu niedrigen Infektionsraten, gibt dem Patienten und dem Personal aber Vertrauen in die Einrichtung des Gesundheitswesens. (folgt 2. Teil) Aus SOFW Journal (2014) F. Schambil, T. Hofmann, T. Leiblein, SEPAWA-Newsletter - Hygieneanforderungen und Innovationen im Gesundheitswesen
Bild: Jörg Beiersdörfer
02.06.2014 | Autor
Eugen Rieser
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