Fachbereich: Studien & Marktanalysen
Erstveröffentlichung: 21.03.2014 Ausgedruckt am: 30.07.2017 |
D A CH-Reformbarometer 2014
2013 hat der wirtschaftspolitische Reformeifer in der Schweiz nachgelassen. Das zeigt die neueste Ausgabe des «D A CH-Reformbarometers», das von Avenir Suisse, dem Institut der Deutschen Wirtschaft Köln und der Wirtschaftskammer Österreich zusammengestellt wird, und die Reformbemühungen der drei beteiligten Länder in fünf wirtschaftspolitischen Bereichen vergleicht. Grundlage der Analyse der Reformintensität bilden jene Politikvorschläge auf Bundesebene, von denen man annehmen darf, dass sie auch gesetzeswirksam werden. Ausgangspunkt ist der September 2002, mit einem Indexstand von 100 Punkten. Die seitherige Entwicklung der Indizes bringt die Reformdynamik zum Ausdruck. Ende 2013 wies das D A CH-Reformbarometer für die Schweiz 116,3 Punkte aus. Mit minus 0,1 Punkten gegenüber Dezember 2012 schliesst es zum ersten Mal seit 2005 tiefer als am Vorjahresende. In Deutschland (plus 0,6 Punkte auf 112,0) und in Österreich (plus 0,5 Punkte auf 114,8) stieg das Reformbarometer indessen leicht an, so dass beide Länder den Abstand zur Schweiz etwas verkleinern konnten. Erstaunlich an dieser Entwicklung ist vor allem, dass in den Nachbarländern 2013 Wahlen stattfanden, was Liberalisiserungsbestrebungen in der Regel dämpft. In der Schweiz war das nicht der Fall, dennoch lässt sich der Trend auch hier als nachlassendes Vertrauen auf freiheitliche Lösungen interpretieren. Zudem steht mit Blick in die Zukunft eine ganze Palette von Abstimmungen bzw. Massnahmen ins Haus (z.B. Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, Einführung Mindestlohn und Ecopop-Initiative), welche im nächsten Reformbarometer wiederum negativ zu Buche schlagen könnten. Ob die Abstände zwischen den drei Länderbarometern weiter abnehmen werden, ist allerdings nicht sicher. Kommt hinzu, dass auch die deutsche Bundesregierung zurzeit nicht gerade mit liberalen Entscheidungen glänzt - im Gegenteil. Von Finanzkrise überlagertDoch zurück zum vorliegenden D A CH-Reformbarometer und zur Schweiz. Es zeigt, hat sich das Tempo der Liberalisierungen in unserem Land seit dem Anfang der neuen Legislaturperiode im Dezember 2011 verlangsamt. Die Zäsur fiel mit der politischen Verarbeitung der Finanzkrise zusammen. Auch wenn die Schweiz die Krise einigermassen unversehrt überstand – was sich nicht zuletzt in gesunden Bundesfinanzen manifestiert –, hinterliess die Krise tiefe Spuren im politischen Alltag. Themen wie die Öffnung der Schere zwischen mittleren und hohen Einkommen, die Grenzen der Globalisierung und das Misstrauen gegenüber Marktlösungen haben sich seitdem gehäuft. Reformmüdigkeit herrscht in allen Teilbereichen des D A CH-Reformbarometers, wenn auch mit unterschiedlicher Ausprägung. Die Bereiche im einzelnenAm stärksten zum Rückgang des Gesamtindex beigetragen hat der Politikbereich Wettbewerbs-, Infrastruktur- und Innovationspolitik. Er nahm in der Schweiz 2013 um 2,3 Punkte auf 114,4 Punkte ab, was zum grössten Teil auf die negative Bewertung der Energiestrategie 2050 des Bundesrates zurückzuführen ist. Diese setzt zu fest auf Autarkie und übernimmt Fehler, die bereits in Deutschland gemacht worden sind. Die «Swissness»-Vorlage, die eine Revision des Markenschutzgesetzes vorsieht, wird aufgrund ihrer protektionistischen Färbung ebenfalls negativ beurteilt. Auch der Teilindikator Steuer- und Finanzpolitik erfuhr 2013 eine Verschlechterung. Er sank um 0,8 Punkte auf einen Stand von 130,7 Punkten. Dazu beigetragen haben die Rückweisung durch das Parlament des Sparprogramms KAPG 14 und die suspendierte Abschaffung der Stempelsteuer. Zwei wichtige steuerpolitische Herausforderungen – die ökologische Steuerreform und die Revision der Unternehmensbesteuerung – stehen aber noch bevor und sind noch nicht in die Bewertung eingeflossen. Der Teilindikator Sozialpolitik schloss unverändert mit 99,9 Punkten. Hier hielten sich positive und negative Bewertungen die Waage. Gewürdigt wird die beschlossene Verfeinerung des Risikoausgleiches bei der obligatorischen Krankenversicherung. Nachteilig hingegen wirkte sich die Verwässerung der Reform der Invalidenversicherung auf den Index aus, besonders der Verzicht auf einen Interventionsmechanismus zur langfristigen Sicherung des finanziellen Gleichgewichts. Damit wäre erstmals eine Schuldenbremse für eine Sozialversicherung eingeführt worden. Mit einem Plus von 0,8 Punkten auf 116,5 Punkte fällt hingegen die Bilanz in der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik leicht positiv aus – wobei das schwerwiegendste politische Ereignis des lau-fenden Jahres, die Annahme der Initiative «Gegen die Masseneinwanderung», ausserhalb der Be-richtsperiode des Reformbarometers liegt. So könnte eine der 2013 positiv bewerteten Massnahmen, die Beteiligung am EU-Forschungsrahmenprogramm, im laufenden Jahr bereits eine Korrektur nach unten erfahren, falls die Schweiz dauerhaft davon ausgeschlossen werden sollte. Schliesslich legte der Teilindikator Finanzmarktpolitik 2013 um 1,6 auf 119,9 Punkte zu. Im Jahr 2013 wirkten sich das FATCA-Bundesgesetz und die Revision des Gesetzes zur internationalen Steueramtshilfe positiv auf das Reformbarometer aus. Auch wenn diese Abkommen keine Begeisterung auslösen, gewährleisten sie den künftigen Zugang zu internationalen Kapitalmärkten für die gesamte Finanzbranche.
21.03.2014 | Autor
Jörg Naumann
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