Hochregal-Lagertechnik

Holz statt Stahl – eine interessante Alternative

So wie im 19. und 20. Jahrhundert Bahnhöfe, Büro- und Geschäfts-Hochhäuser erschaffen wurden, ist der Bautyp Hochregallager (HRL) unter den Industriebauten ein eigenständiges Gebilde. Man meint zu wissen, wie ein Hochregallager aussieht: Ein gigantisches Stahlgerüst, in dem vollautomatische Regalbediengeräte die Standorte von mehreren tausend Paletten oder Trays nach einer so genannten “chaotischen Lagerhaltung“ – also ohne feste innere Ordnung – mittels rechnergestützter Lagerplatzbestimmung ein- und auslagern. Stahl und Stahlbeton sind hier die bestimmenden Baumaterialien.

Ein HRL komplett aus Holz anstatt Stahl-Konstruktion

 Die in Vorarlberg (Ö) ansässige Kaufmann Bausysteme GmbH hat jedoch die zuvor beschriebene Denkweise umgestürzt. Das Unternehmen hat die Stahlbau-Domäne aufgebrochen und für den Holzbau erobert. Dass dies nicht aus ökonomischen Motiven geschah, versteht sich im knallhart kalkulierenden Logistikmarkt beinahe von selbst. Denn im direkten Preisvergleich mit Standardlagern ist der Holzbau mit 5 – 10 % höheren Investitionskosten keine wirtschaftliche Alternative zum Stahlbau. Aber gewisse Lagergüter, wie etwa Salze oder Säuren, stellen besondere Stahlbau-Anforderungen hinsichtlich Korrosionschutz der Tragstruktur. Im Gegensatz zu Stahl erfüllt dies jedoch Holz ohne zusätzliche Oberflächenbehandlung hervorragend. .

 

Das neue Josera-Hochregallager: eine Hochbauinnovation aus Holz

 Die Baumassnahmen für das neue Hochregallager des Futtermittelherstellers Josera GmbH & Co. KG im unterfränkischen Kleinheubach, südlich von Aschaffenburg (D), gelegen, widerspiegeln einen Weg. Der neue Verladehof und das neue Logistikzentrum am Unternehmenshauptsitz bestechen vor allem durch ihre Konstruktion in Holz. Mit dem Bau des Hochregallagers aus dem CO2-neutralen Rohstoff Holz handelt Josera streng nach den Unternehmensrichtlinien, nach denen alle getroffenen Entscheidungen nicht nur wirtschaftlich, sondern zugleich auch nachhaltig sein sollen. Die Fertigstellung des Lagers erfolgte 2011.

Holzregallager mit Klassischem Stahl-RBG

 Aufmerksamkeit erregte das neue Josera-Hochregallager allemal. Denn das Material des 77 Meter langen, 32 Meter breiten, 30 Meter hohen und 14-geschossigen Gebäudes ist für den Bau ungewöhnlich, aber sicherlich zukunftsweisend.  Das automatisch betriebene Hochregallager ist das erste in Deutschland, welches komplett aus Holz gefertigt wurde. Das HRL stellte somit eine echte Innovation dar: europaweit, vermutlich weltweit, gab es 2010 / 2011noch kein ebenbürtig grosses, vollautomatisch betriebenes Lagergebäude aus Holz.

 Für den Futtermittelhersteller Josera hatte das Baumaterial Holz gegenüber Stahl den Vorzug erhalten, weil seine Verwendung wirtschaftlicher, für ihn als Hersteller von Futter- und Lebensmitteln zudem hygienischer, und obendrein besser für den Brandschutz ist.

 

 

 Aufwändiger als bei Stahlkonstruktionen …

 … erwiesen sich allerdings die vorgeschriebenen statischen Berechnungen, denn Standards und Statuten sowie umfassende Erfahrungswerte lagen für so hohe Industriebauten mit dem Baustoff Holz (noch) nicht vor. So mussten die Planer und Bauingenieure erst einmal alle statischen Berechnungen komplett neu entwickeln und mit grossen Sicherheitszuschlägen bewerten, um überhaupt die Genehmigungen für diese Bauart zu erhalten. Kein Wunder, dass die Anforderungen an die Konstruktion, den Lagerbetrieb und auch der Brandschutz von besonderer Bedeutung sind. Für die Holzkonstruktion und seine Holzleimbinder zeichnet das weltweit renommierte Fachunternehmen Hess Timber, ebenfalls Kleinheubach, verantwortlich.

 Andererseits konnte auf eine Kommissionierungshalle für das vollautomatisch betriebene Lager verzichtet werden – das HRL besitzt stattdessen drei Kommissioniergänge.

 Die integrierte Fördertechnik, die, wie bis anhin aus Stahl, Aluminium und Kunststoff besteht, stammt vom vorarlbergischen Unternehmen LTW Intralogistics GmbH, Wolfort (Ö). Diese Fördertechnik ist durchgängig einfach, schnörkellos und robust konzeptioniert, vor allem auch sehr ausfallsicher und einfach zu warten. Zudem erfüllte LTW alle Konstruktionen zur Freude vom Anlagenbetreiber und der Berufsgenossenschaft hinsichtlich der Personensicherheit. So kommen auch automatische Hebehilfen für die Mitarbeitenden zum Einsatz.

 Die hervorragende Isolierung des Gebäudes macht eine Beheizung weitgehend überflüssig. Die erforderliche Wärme wird vor allem über die eingelagerten Produkte eingespeist.

 

Bester Brandschutz

 Auch die brandschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt die Holzkonstruktion besser als ein Hochregallager aus Stahl. Die Feuerwiderstandskraft von Holz ist nämlich wesentlich höher als von Stahl. (Haben Sie schon einmal gesehen, wie eine Stahlkontruktion infolge Brand oder Hitzeeinwirkung in sich zusammenfällt?) Zudem lässt die Holzkonstruktion grössere Spannweiten zu als Stahlbeton. Und die Lager-Brandschutzsektionen können in wesentlich geringer Zahl als bei Stahl-Konstruktionen integriert werden.

 Für das Team von der Calanbau Brandschutzanlagen GmbH aus Darmstadt, das mit der Planung und Ausführung der Sprinkleranlage beauftragt wurde, war dieses Projekt dennoch eine besondere Herausforderung. Auf Grund der massiven Bauweise der Holzträger für die Regalständer, Aussteifungsriegel und den Palettenträgern ergaben sich massive Sprühbehinderungen, die auf die Anordnung der 4000 Sprinklerköpfe Einfluss nahmen. Des Weiteren sollte eine kostengünstige Halterung für die Sprinklerleitungen und insbesondere der Strangrohre im Hochregallager gefunden werden. Ausserdem musste man die unterschiedlichen Längenausdehnungen der beiden Baustoffe Holz und Stahl bei der Wahl der Halterungen der Rohrleitungen und der Anordnung erkennen und konstruktiv berücksichtigen.

 

HRL-Montage bei der Ebensse Salinen AG

Ethos der Unternehmerfamilie

 Die Entscheidung, Lagergebäude und deren Regaleinrichtungen aus Holz zu fertigen, unterstreichen das umfassende Bemühen von Josera – das Unternehmen stellt nachhaltiges und generationengerechtes Wirtschaften generell in den Vordergrund. Demzufolge verwendet Josera nebst der Holzkonstruktion nicht nur grünen Strom und andere umweltverträgliche Technologien, sondern auch einen eigenen Bahnanschluss. Dieser wurde zusammen mit dem Neubau des vollautomatischen HRL ebenfalls neu errichtet und damit die Jahresumschlagskapazität auf nunmehr 65000 Tonnen ausgeweitet.

 Die Josera-Unternehmensleitung unterstreicht mit ihren Aktivitäten in Sachen nachvollziehbare Nachhaltigkeit, sondern ebenso glaubwürdig die höchsten Sicherheits- und Qualitätsstandards des Unternehmens, welche grösstenteils freiwillig eingerichtet wurden, welche aber die gesetzlichen Vorgaben weit überschreiten.


Holzbau erobert Domäne des Stahlbaus

Seinen Anfang nahm die Geschichte des Hochregal-Lagerbaus aus Holz für das Vorarlberger Unternehmen 2005, als man gemeinsam mit der Giko Verpackungen AG in Weiler/Vorarlberg nach einer Alternative zu den Lagern in herkömmlicher Stahlbauweise suchte. Bei diesem frühen System wurden die Regalträger noch aus Stahlprofilen gefertigt, für die Regalsteher kam jedoch schon Brettschichtholz zum Einsatz.

 Eine erste, echte Innovation tat sich 2007 auf, als für das Hochregallager der Salinen Austria AG in Ebensee (Ö) eine Lösung anstand. Bei dieser Lagerhalle mit 11000 Palettenplätzen, die im Zuge des Ausbaus der Produktionsstätten des österreichischen Salzproduzenten notwendig geworden war, galt der Baustoff Stahl wegen des Korrosionsverhaltens von Salz als ein Risikofaktor. Holz hingegen, das gegen die meisten chemischen Substanzen (wie Säuren, Laugen oder eben Salz) auch ohne Imprägnierungen resistent ist, erwies sich als ideal.

 Gemeinsam mit der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart (FMPA Stuttgart) und der Technischen Universität Graz wurden deshalb für diese Holzbauart entsprechende Details entwickelt, um ein Regalsystem ganz aus Holz zu ermöglichen. Die gesamte Konstruktion der grossen Halle (das Lager ist 110 Meter lang, 25 m hoch und besteht aus drei Gassen sowie 12 Etagen) konnte so in Brettschichtholz ausgeführt werden.

 Grossbauten mit Holz können heute schon mit einigen Superlativen, auch bei medial weniger populären Gebäudetypologien, aufwarten.

 2010 erhielt die Kaufmann Bausysteme GmbH im Rahmen des Vorarlberger Innovationspreises eine Anerkennung für ein Hochregallager, welches sie für die Offset-Druckerei in Schwarzach (Ö) entwickelte, was gegenwärtig realisiert wird. Das vollautomatische HRL mit den 30 Meter hohen Regalsystemen ist für eine Kapazität von 10500 Palettenplätzen ausgelegt.  

Montage des HRL in Lorsch (D) für Alnatura AG

 Zurzeit errichtet der vorarlbergische Holzbau-Spezialist gemeinsam mit BFK Architekten aus Stuttgart ein noch grössers Hochregallager in Holzbauweise  in Lorsch, Südhessen (D). Der Auftraggeber sind die deutsche Alnatura Produktions- und Handels GmbH, ein Unternehmen, das nach ökologischen Gesichtspunkten Lebensmittel und Textilien produziert und die Swisslog GmbH, Deutschland.

 Das bereits in Bau befindliche Lager wird auf einer Grundfläche von 9000 m2 auf acht Etagen Platz für rund 31200 Paletten bieten. Ganz aus Brettsperrholz gefertigt (die PECF-zertifizierten, vorgefertigten Lärchenbalken sind zu acht Meter hohen Regalteilen zusammengefügt), funktioniert das HRL vollautomatisch. Die Halle wird natürlich klimatisiert, das heisst, die Verlegung des Gebäudes in 2,50 Meter Tiefe bewirkt eine automatische Kühlung durch das Grundwasser. Eine effiziente Dämmung sowie der Baustoff Holz leisten das ihre, um die für die Lagerung der Produkte notwendigen 12 bis 22 Grad Celsius auch ohne eine installierte Klimaanlage mit umweltschädlichem CO2-Ausstoss zu gewährleisten. Die Inbetriebnahme ist für Frühling 2014 geplant.

 In einem HRL dieses Ausmasses beruhen Logistik und Verteilung der Produkte selbstverständlich auf einer rechengestützten Lagerhaltung mit vollautomatischen Regalbediengeräten. So ein hochtechnisiertes Netz funktioniert allerdings nur, wenn die einzelnen Holzbauteile der Konstruktion möglichst geringe Verformungstoleranzen ausweisen. Zum Beispiel könnten die empfindlichen Regalbediengeräte bereits bei wenigen Zentimetern Durchbiegung des Holzes die Ware nicht mehr identifizieren und Fehlsteuerungen auslösen. Eine enorme Präzision in der Vorfertigung der Brettsperrholzteile im Holzwerk ist also absolute Voraussetzung. Doch die bisherigen Erfahrungen bestätigen, dass dies durchaus zu erreichen ist.

 Mittlerweile gibt es insgesamt sieben Hochregallager, zu finden in Österreich, Deutschland und sogar Nordirland, mit deren Entwicklung neue Massstäbe im Holzbau und im Lagerbau gesetzt wurden.           

 

Die Geschichte der heutigen Kaufmann Bausysteme GmbH …

 … beginnt 1952 mit der Gründung der Zimmerei und Brett-Schichtholzfertigung durch Josef Kaufmann. Mit der strategischen Neuausrichtung der Firmengruppe (2003) und der Zielsetzung: Fokussierung auf die Kernkompetenzen der jeweiligen Einzelunternehmungen der Mayr-Melnhof Kaufmann Holz GmbH (Spezialist für die industrielle Herstellung von Leimholzprodukten), und Kaufmann Bausysteme GmbH (Planung und Fertigung von Hallen, Fassaden, Module und Hochregale). Hat die Unternehmensgruppe die Basis für die Zukunft gelegt ... mit Holz.

 Gemeinsam mit Kunden und Partnern entwickelt Kaufmann Bausysteme  von funktionsorientierten und wirtschaftlichen (Hoz)Bauwerken. „Full Service“ lautet die Unternehmens-Devise – von einzelnen Teilgewerken bis zu Generalunternehmerleistungen. In vier Geschäftsbereiche

-       Geschäftsbereich Halle (moderne Freizeit-, Produktions- und Arbeitsräume)

 -      Geschäftsbereich Fassaden  (Hightech für energieeffizienten Fassadenbau)

 -      Geschäftsbereich Module  (standardisierte, modulare Systeme für schnelles Bauen)

-       Geschäftsbereich Hochregale (neue Massstäbe in der Lagerlogistik durch den Einsatz von Holz)

werden die Kernkompetenzen auf Hochbauprojekte mit Holz und in Kombination mit anderen Baustoffen unterteilt.

 Kontaktadresse:

Kaufmann Bausysteme GmbH,  Vorderreuthe 57,  A - 6870 Reuthe
Tel. +43 5514 31440-0,   info@kaufmannbausysteme.at

www.kaufmannbausysteme.at

 

 

29.06.2013 | Autor Hans Joachim Behrend

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