D A CH-Reformbarometer für 2011/12

Flaue Reformdynamik in der Schweiz

2012 hat der wirtschaftspolitische Reformeifer in der Schweiz nachgelassen. Das zeigt die neueste Ausgabe des «D A CH-Reformbarometers», das von Avenir Suisse, dem Institut der Deutschen Wirtschaft Köln und der Wirtschaftskammer Österreich berechnet wird und die Reformbemühungen der drei Länder in fünf wirtschaftspolitischen Bereichen vergleicht. Grundlage der Analyse der Reformintensität bilden jene Politikvorschläge auf Bundesebene, von denen man annehmen darf, dass sie auch gesetzeswirksam werden. Ausgangpunkt ist der September 2002 mit 100 Punkten, die seitherige Entwicklung der Indizes bringt die Reformdynamik zum Ausdruck. Anfang 2013 wies das D A CH-Reformbarometer für die Schweiz 116,4 Punkte aus, für Österreich 114,3 und für Deutschland 111,4. In der Berichtsperiode von Januar 2011 bis Dezember 2012 war der Reformelan in Deutschland (plus 2,8 Punkte) und der Schweiz (plus 2,0 Punkte) eher überdurchschnittlich, in Österreich (plus 1,1 Punkte) leicht unterdurchschnittlich.

Der Leidensdruck fehlt

Die durchzogene, jedoch im europäischen Quervergleich komfortable Position der Schweizer Volkswirtschaft bildet keine gute Voraussetzung für Reformen – es fehlen Leidensdruck und Reformbewusstsein. Dies äussert sich in einer zwar positiven, aber glanzlosen Entwicklung des Reformbarometers in den untersuchten Bereichen Arbeitsmarkt, Sozialpolitik, Steuern und Finanzen, Wettbewerb und Innovation sowie Finanzmarktpolitik. Die zwei letztgenannten Bereiche werden im «D A CH-Reformbarometer 2013» erstmals bewertet.

D A CH-Reformbarometer 2002-2012
Auch wenn die Schweiz in den letzten Jahren offensichtlich etwas regere Reformaktivitäten als Deutschland und Österreich an den Tag gelegt hat, die Grafik zeigt, dass die Entwicklung der Reformen insgesamt glanz- und mutlos geblieben ist. (Abb. und Quelle: Avenir Suisse)

IV versus Managed-Care

Der Teilindex Sozialpolitik legte in der Schweiz 2012 um 3,5 Punkte auf 99,9 Punkte zu. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Fortschritte bei der Invalidenversicherung – allerdings drohen diese vom Parlament zum Teil rückgängig gemacht zu werden. Weitere relevante Massnahmen, die allerdings negativ zu Buche schlugen, betrafen die obligatorische Krankenversicherung. Hier wurden Reformen zurückgefahren oder scheiterten in Volksabstimmungen (z.B. Managed-Care).
Der Teilindikator Arbeitsmarktpolitik – der neu auch die Bildungspolitik umfasst – stieg dank einer ambitiösen Bildungs- und Forschungsoffensive des Bundes um 2,3 Punkte auf 115,7 Punkte. Obwohl die Folgen der Personenfreizügigkeit mit der EU und der damit verbundenen flankierenden Massnahmen im Parlament höchst kontrovers diskutiert werden, kam es im letzten Jahr nur zu einer geringfügigen Verschlechterung der Rahmenbedingungen in diesem Bereich.

Neu aufgenommen: Finanzmarktpolitische Reformen 

Der Teilindikator Steuer- und Finanzpolitik, der 2011 erstmals seit Einführung des Reformbarometers eine Verschlechterung erfuhr, erholte sich 2012 wieder um 1,6 Punkte auf einen Stand von 131,5 Punkten. Die wichtigsten steuerpolitischen Herausforderungen stehen aber erst bevor und sind noch nicht in die Bewertung eingeflossen: die ökologische Steuerreform, die Revision der Unternehmensbesteuerung und verschiedene Steuerabkommen mit dem Ausland.
Aktiv waren Bundesrat und Parlament auf dem - neu berücksichtigten - Gebiet der Wettbewerbs-, Infrastruktur- und Innovationspolitik. Dementsprechend stieg der Teilindikator seit Januar 2011 um 2,3 Punkte. Unspektakuläre bis enttäuschende Reformen in der Wettbewerbs-, der Strom- und der Verkehrspolitik prägten seinen Verlauf. Auch auf diesem Gebiet stehen noch grosse Veränderungen an: So konnte beispielsweise der Atomausstieg nicht eingerechnet werden.
Ebenfalls neu im Barometer berücksichtigt wurden finanzmarktpolitische Reformen. Getragen durch die Revision des Bankengesetzes vom April 2011 legte dieser Teilindikator am meisten zu (plus 3,9 Punkte). Im Jahr 2012 wirkten sich die Reformen im Fondsgesetz, die Abgeltungssteuer mit England und Österreich sowie die Anpassungen des Geldwäschereigesetzes positiv aus.

Download der Studie

 

18.03.2013 | Autor Jörg Naumann

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