BAK Taxation Index 2012

Vieles spricht für eine nachhaltige Situation

Die meisten Schweizer Kantone haben die Steuerbelastung* von Unternehmen von 2003 bis 2012 gesenkt. Das Ausmass hängt von der Ausgangslage und von der steuerpolitischen Strategie der Kantonsregierungen ab. Ausnahmen bilden die Romandie, das Tessin sowie Bern. Hier hielten sich die Steuerreduktionen in ganz engen Rahmen oder blieben gar ganz aus. Besonders deutlich zeigten die Ostschweizer Kantone, dass sie nicht gewillt waren, im Steuerwettbewerb aussen vor zu bleiben. Heute bieten sie mit einer Belastung zwischen 11 und 15 % den Zentralschweizer Kantonen (11 - 13%) in dieser Beziehung Paroli. Die Freiheitsgrade der städtischen Kantone von Basel über Bern und Zürich bis Genf, ihre Unternehmenssteuern zu senken, waren offensichtlich deutlich eingeschränkter als die der anderen. Ihre Belastung figuriert auch 2012 noch zwischen 18.5 und 21.5% (s. Abb. 1). Veränderungen in der Unternehmensbesteuerung von 2011 bis 2012 waren praktisch nur in Luzern zu verzeichnen, das im BAK Taxation Index um 3.3 Prozentpunkte fiel und zu Nidwalden aufschloss.

BAK Taxation Index Unternehmen Abb. 1. Die Entwicklung der Unternehmensbesteuerung der Schweizer Kantone lässt sich gut in vier Szenarien darstellen, wobei die Ostschweizer Kantone besonders deutliche Schritte zu tieferen Steuerbelastungen getan haben.   
BAK Taxation Index Hochqualifizierte Abb. 2. Ein grundsätzlich ähnliches Bild zeigt sich bei der Besteuerung Hochqualifizierter. Im Unterschied zur Unternehmensbesteuerung haben einige wenige Kantone den Trend nach unten indessen erstmals wieder umgekehrt.  


Ein vergleichbares Bild zeigt die Besteuerung hochqualifizierter Arbeitskräfte in den einzelnen Kantonen. Unter der Voraussetzung, dass Unternehmen allfällige Steuernachteile ihres Kantons wettmachen müssen, um einen hochqualifizierten Mitarbeiter rekrutieren zu können, spielt auch die persönliche Belastung eine wichtige Rolle für die Ansiedlung von Unternehmen, zumal dann, wenn sie im Hightech-Umfeld tätig sind. Auch hier ist die typische Gruppierung in vier Regionen auszumachen, wobei die Romandie und das Tessin einmal mehr mit relativ hohen und wenig veränderlichen Belastungswerten aufwarten (s. Abb. 2). Zu bedenken ist bei dieser Zusammenstellung, dass nur 19 Kantone an der Analyse teilnehmen, Aargau, Appenzell IR, Freiburg, Jura, Solothurn und Uri bleiben ihr bislang fern. Zu berücksichtigen ist auch, dass die berechneten Werte für die Kantonshauptorte gelten, dass andere Orte im Kanton von diesen zum Teil markant abweichen.

Im internationalen Umfeld gut positioniert

Ihre wirkliche Bedeutung gewinnt die Analyse erst, wenn man die Schweizer Resultate ins internationale Umfeld setzt, die Steuerbelastungen der Schweizer Hauptorte auf vergleichbarer Basis mit anderen Orten in und ausserhalb Europas vergleicht. Der BAK Taxation Index tut genau das und kommt zum Schluss, dass die aktuell für die Schweiz geltende Steuerbelastung nur von den neuen osteuropäischen EU-Mitgliedern Ungarn, Polen, Slowakei und Tschechien offeriert werden kann. Für die Schweiz unerreichbare Werte werden allein von Singapur und Hongkong geboten (s. Abb. 3).

Kantone im internationalen Steuervergleich; BAK Taxation Index Abb. 3. Die Kombination der beiden Besteuerungs-Indices verdeutlicht die einzigartige Lage der Schweizer Kantone (rote Elipsen). Allein die (grünen) neuen EU-Mitgliedsländer leisten sich ähnlich tiefe Steuern wie die Schweiz. Singapur und Hongkong spielen in einer anderen Liga. 
Nachhaltigkeit der Finanzpolitik - Verschuldung und Defizit Abb. 4. Die Frage nach der Nachhaltigkeit der Steuersituation lässt sich grafisch kaum überzeugender beantworten. Während die Schweiz seit 2007 ihre Schulden in Prozent des BIP reduzieren und ihren Budgetüberschuss beibehalten konnte, haben alle anderen Länder (mit Ausnahme von Schweden) ihre Situation in beiden Dimensionen verschlechtert. Der Druck auf höhere Einnahmen wächst damit weiter (alle Grafiken BAK Taxation Index 2012).

Blick in die Zukunft

Bislang zitierte Aussagen und Resultate des BAK Taxation Index sind der Vergangenheit entnommen. Was lässt sich nun über die Nachhaltigkeit der bislang erfreulichen Situation, das heisst für die kommenden Jahre daraus schliessen? Martin Eichler, Senior Economist und GL-Mitglied von BAKBasel, ist zuversichtlich und erwartet für die Schweiz Steuerlastreduktionen auch über das Jahr 2012 hinaus. „Grössere Bewegungen", so Eichler, „dürften allerdings der Vergangenheit angehören." Wenn die Schweiz ihre Stellung im internationalen Vergleich halten könne, läge das auch an der Entwicklung im Ausland.

Vom oft zitierten "Race to the bottom" könne allerdings keine Rede sein, widerspricht Boris Zürcher, Direktor und Chefökonom des Basler Instituts, der im Raum hängenden Frage, bevor sie gestellt wurde. Selbst infolge der Finanzkrise sei die Fiskallast in den Kantonen nicht gestiegen. Einen der Gründe macht er in der Neuverteilung der Nettomonatslöhne aus, deren Verteilung von 2002 bis 2010 deutlich nach rechts gewandert ist, weil die Steuerpflichtigen in höhere Einkommensklassen aufgestiegen sind, was den Steuerreduktionseffekt für die Kantone kompensiert hat.
Laut Zürcher gibt es weitere Argumente, die für eine nachhaltige Steuersituation in der Schweiz sprechen. Dazu gehören Steuerföderalismus und Steuerwettbewerb ebenso wie die Steuerautonomie der Kantone, welcher für deren „gezügelten Steuerappetit" mitverantwortlich sei.
Hält man sich die Schweizer Steuersituation im Zusammenhang von Budgetdefizit und Schulden - jeweils in Prozent des BIP - vor Augen und vergleicht die Szenarien verschiedener Länder von 2007 mit 2012, so wird einmal mehr die völlig konträre Entwicklung der Schweiz im Vergleich mit allen anderen Ländern (Ausnahmen sind Norwegen und Schweden) deutlich. Während die Schweiz (wie die beiden erwähnten skandinavischen Länder) in den fünf Jahren sowohl ihre Schulden reduziert als auch ihren Budgetüberschuss beibehalten hat, weist die Richtung aller anderen Länder in Richtung Nord-Ost. Alle haben sowohl ihre Schulden als auch ihre Budgetdefizite in Prozent des BIP erhöht. All das spricht für eine nachhaltige und eine zumindest relativ stabile Steuersituation in der Schweiz, die sich bei internationalen Standortentscheidungen positiv bemerkbar machen sollte.

Auch ungelöste Probleme

Dass damit noch nicht alles in trockenen Tüchern ist, das unterschlägt der neue BAK-Direktor keinesfalls: Neben der Kleinheit des Binnenmarktes und der hohen Aussenhandelselastizität mit der Gefahr abwandernden Steuersubstrats legt er seinen Finger insbesondere auf die ungelösten Probleme bei der Besteuerung von Holding-, Verwaltungs- und gemischten Gesellschaften sowie auf die Risiken in den Kantonen, die der präferenziellen Besteuerung bislang der Vorzug vor tiefen Steuersätzen gegeben haben. Die bislang vermeintlichen Vorteile könnten sich unter weltweit ändernden Rahmenbedingungen zu Nachteilen wandeln. Die Diskussion der Pauschalbesteuerung sowie die Besteuerung von ausländischen Vermögen sind weitere Imponderabilien, die schon noch Schatten auf die bislang ermutigende Situation der Schweiz im internationalen Steuerwettbewerb werfen könnten.
Am Fazit der Analyse ändert dies jedoch nichts. Während das Steuerklima in der Schweiz vergleichsweise milde bleiben werde, dürften in der EU vor allem die indirekten Steuern anziehen. Sollten Steuern als konjunkturelles Steuerungsinstrument Anwendung finden, werde das die Attraktivität der EU als Standort weiter verschlechtern. Austeritäts- und Gerechtigkeitsdebatten würden allerdings dazu beitragen, dass der Druck auf die Schweiz und deren Steuergesetze und -praktiken steigt. All das beeinflusst Zürchers Fazit mitnichten: „Im Gegensatz zu den EU-Ländern ist die steuerliche Standortattraktivität der Kantone nachhaltig abgesichert."

(*Die Studie misst in beiden Fällen (Unternehmensbesteuerung wie Personenbesteuerung) die effektive Durchschnittssteuerlast = Effective Average Tax Rate [EATR])

Weiterführende Informationen hier

10.07.2012 | Autor Jörg Naumann

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