Kauft China Europa?

Chinesen setzen auf Technologie und Brands

Gleichzeitig wolle das Reich der Mitte sein Image als Billigproduzent der Welt loswerden und sich vermehrt auf die Herstellung von Hightech-Produkten verlegen. Auch dafür benötigt es Technologie und Brands - und entwicklungsfähige Unternehmen im Westen, die bereit sind, mit Firmen vor Ort zu kooperieren. Die Zusammenarbeit werde von den Chinesen im Vergleich zur Akquisition präferiert, denn warum solle sich China zusätzliche Probleme in Haus holen, fragte Urs Schoettli, davon habe es mehr als genug. China hätte zwar Fünf- und Zehnjahrespläne, dennoch werde das Land kurzfristig nicht strategisch geführt. Die Chinesen könnten gleichzeitig Gas geben und auf der Bremse stehen. Anhand konkreter Erfahrungen einzelner Projekte würde die Lage immer wieder neu austariert und entschieden.

Herausforderung annehmen

Auch politisch gewinnt China an Statur. Inzwischen habe es die Ablösung der mono- resp. bipolaren durch eine multipolare Weltordnung eingeleitet, ist Frank Sieren überzeugt, und werde künftig mit am Tisch der Weltmächte sitzen. Auch ein Auflehnen der etablierten Staatsoberhäupter dagegen werde das nicht verhindern. Das steigende Selbstbewusstsein der Chinesen sei verdient, ihre Erfolge auf den Weltmärkten imposant und überzeugend, ihr Wunsch, auf Augenhöhe mit dem Westen zu kommunizieren, deshalb verständlich und auch berechtigt. Die Befürchtungen, die über das Reich der Mitte und ihre Machthaber kursieren, halten die Experten, die das Land durchwegs von innen kennen, insofern für kontraproduktiv, weil es hiesigen Unternehmern die Augen vor dem Marktpotenzial, das dort auf sie wartet, verschliessen kann.
Dabei ist das Potenzial enorm. Etliche Schweizer Firmen können dies inzwischen bestätigen, denn sie sind bereits auf dem Riesenmarkt China erfolgreich aktiv. Das zeigt der CHF 1.5 Mrd. hohe Überschuss der Handelsbilanz der beiden Länder. In der Aufzugbranche - und nicht nur dort - wird längst im Reich der Mitte die Messlatte für internationale Wettbewerbsfähigkeit gelegt und entschieden, ob ein Unternehmen auf dem Weltmarkt bestehen kann oder nicht. Deshalb, folgert Kurt Haerri, verlegen Unternehmen wie Schindler immer mehr Aktivitäten direkt in die chinesischen Metropolregionen. Doch es gibt auch solche, die in der Schweiz bleiben und sich unter den Fittichen chinesischer Eigner einrichten. Von einer etwa so gearteten Situation wusste Jürgen Lauber zu berichten, der mit seinem Unternehmen Hightech-Lösungen Made in Switzerland an einen chinesischen Familienkonzern liefert. Da diese dort vielfältige Verwendung finden, geniesse er grosse Gestaltungs- und Führungsfreiheit, und es ginge ihm dabei besser als manchem Betrieb in Schweizer Hand.

Jahrhundert des Teilens erwartet

Der Durchschnittschinese hat nur ein Ziel vor Augen: so zu leben wie wir. Das Problem dabei ist, dass unser Globus „ökologisch aus den Angeln fliegt", sollten diese Vorstellungen realisiert werden, ohne dass es andernorts zu Reaktionen kommt. Ernsthafte Diskussionen darüber, zu welchen Anpassungen Europäer und Amerikaner Hand bieten müssen, werden bereits geführt. Welche Schritte freiwillig, welche der Not gehorchend gemacht werden, ist offen. Dass China kaum Hand bieten wird, hoch verschuldeten und maroden Ländern Europas mit dem Ankauf von Junk Bonds aus der Klemme zu helfen, wundert Peter Fischer in dieser Situation überhaupt nicht. Für Griechenland hat das Jahrhundert des Teilens und der Einschränkungen bereits begonnen. Andere Länder dürften sich schon bald einreihen. Darauf sollten Schweizer Firmen, die über das in China dringend gesuchte Know-how und die entsprechende Technologie verfügen, nicht spekulieren. Denn mit ihren Ressourcen können sie dazu beitragen, den ökologischen Fussabdruck Chinas zu verkleinern und den Druck hinsichtlich Einschränkungen durch intelligente Lösungen zu reduzieren.

Die China-Experten anlässlich der 2. CrossViews:

Urs Schoettli anlässlich CrossViews by Inova Management Frank Sieren anlässlich CrossViews by Inova Management
Dr. Urs Schoettli, selbständiger Asienberater: "Die Chinesen ticken genau so wie wir und wollen so leben wie wir. Doch dazu reichen die Ressourcen nicht aus." Frank Sieren, Politikwissenschaftler, Buchautor: "Das Businessmodell der Chinesen ist ein Tauschgeschäft - Technik gegen Marktanteile."
 Kurt Haerri, Managing Director Schindler  -	Jürgen Lauber, Direktor Saia-Burgess Controls AG
Kurt Haerri, Managing Director der Top Range Division von Schindler: "Die Schweiz profitiert vom Handel mit der Schweiz. Doch das Potenzial ist riesig." Jürgen Lauber, Direktor Saia-Burgess Controls AG: "Für ein Schweizer Unternehmen ist es besser, einem Chinesen zu gehören als einem Schweizer."
 -	Peter A. Fischer, 2007-2010 Chinakorrespondent, heute Leiter Wirtschaftsredaktion NZZ  -	Peter Mendler, VR-Präsident der Inova Management AG, Wollerau

           Peter A. Fischer, 2007-2010 China-korrespondent, heute Leiter Wirtschafts-redaktion NZZ: "China hat ein äusserst pragmatisches Verhältnis zu anderen Ländern. Bankrotte Staaten wie Griechen- land wird es nicht retten."

Peter Mendler: "Kauft China Europa und die Schweiz?" Mit dieser Frage eröffnete  der VR-Präsident der Inova Management AG, Wollerau, die Diskussion zu China und zum Verhältnis der Schweiz zum Land der Mitte.

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20.11.2011 | Autor Jörg Naumann

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