Cloud in der Logistik

Drum prüfe, wer sich (wie) bindet

Logistikprozesse werden immer komplexer und die Anforderungen an deren Flexibilität und Dynamik steigen kontinuierlich. Die bisherigen IT-Lösungen können die Prozesse oftmals nicht mehr ausreichend abbilden. Neue IT-Programme und sogar neue IT-Systeme sind erforderlich, soll die Unternehmenslogistik auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg erbringen. Mit der IT aus der Wolke (Cloud) lassen sich gemäss den Initianten die neuen Herausforderungen begegnen.

Cloud-Computing:  für die Logistik mit gewissen Vorteilen  

 Die Leistungsfähigkeit der Logistik wird in Zukunft immer stärker von der Flexibilität, der Individualität und der Stabilität unterstützender Informationstechnologie abhängen. Neue Konzepte und innovative Ideen sind zwingend erforderlich, um den Anforderungen von morgen gerecht werden zu können.

 Im Hinblick auf die ständigen Änderungen des Logistiksektors, dessen kontinuierliches Wachstum stets neue Ansprüche an Organisation, Technik und Software stellt, ist nachhaltiges Umdenken erforderlich: Statische Systeme müssen flexiblen Lösungen weichen, welche innerhalb kürzester Zeit auf Schwankungen reagieren und bereitstehende Ressourcen bedarfsgerecht umverteilen. Doch dauernde Anpassungen/Erneuerungen der IT sind kostenintensiv und stossen oftmals an Grenzen. Dennoch sind neue Wege gefragt.

 Die meisten Softwarelösungen in der Logistik kommen aus dem Speditions- und Distributionsbereich und sind äusserst komplex. Vor allem, wo sich Daten schnell ändern, können jedoch Internet-basierte Systeme – wir sprechen von Cloud Computing – bequemer genutzt werden als lokale Anwendungen. Zum Beispiel müssen für die unzähligen Strassenkarten einer Spedition stets aktuelle Karten verwendet werden, weil sonst die Lieferung einer Ware nicht zeitgerecht erfolgen könnte. Hinzu kommen die vielen Updates der Software.

 Anders als mit der installierten Software im eigenen Haus, müssen Spediteure via Cloud aber nicht mehr die neuesten Updates installieren. Sie greifen via Cloud automatisch immer auf die aktuellen Versionen zu: Strassenkarten, Routen- und Distanzberechnung, Prozesskosten-Kalkulation, die Reihenfolgeoptimierung für Touren, CO2-Berechnungen, all das ist mittels Cloud Computing heute schon machbar.

Infrastruktur des Cloud-Computing

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Cloud-Computing …

… kommt nicht nur in der Logistik, sondern mittlerweile in zahlreichen Branchen zum Einsatz. Neben der zunehmenden Praxiserfahrung ist auch das allgemeine Wissen über diese Technologie gewachsen. Die grössten Bedenken sowohl auf Anwender- als auch auf Anbieterseite gelten jedoch nach wie vor der Leistungsfähigkeit und dem Datenschutz. Offensichtlich verunsichern die zahlreichen Enthüllungen über die Aktionen von Hackern und ausländischen Geheimdiensten die Cloud-Anwender. So lässt sich auch der gegenwärtig geringfügige Rückgang hinsichtlich der Bereitschaft zur Cloud-Nutzung erklären.

 Die Cloud-Betreiber reagieren allerdings auf die Situation mit verschiedenen Ansätzen gegen unkontrolliertes Ausspähen privater Date – beispielsweise mit EWR-/EU-Clouds, die den europäischen Datenschutzrichtlinien entsprechen, internationalen Sicherheitsstandards (ISO/IEC 27001) und verbesserten IT-Schutzmassnahmen (Firewalls; Honeypots; verschlüsselte Tunneltechnologien wie IPSec, TLS/SSL oder SSH; einheitliche Sicherheitsberichte; IDS usw.) sowie Anpassungen an den rechtlichen Diese Massnahmen allein dürften aber noch nicht genügen.

Logistiker zieht es in die "Wolke"

Auch aus Sicht von IT-Unternehmen ist Cloud Computing in der jüngsten Vergangenheit zum Trendthema avanciert. Rund zwei Drittel aller befragten Unternehmen in einer aktuellen Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom nannten Cloud Computing an erster Stelle – vor mobilen Applikationen, die mit etwas über 50 Prozent und IT-Sicherheit, die mit etwas weniger (48 %) zu Buche schlagen.

 Über die Hälfte aller Softwareanwender kann sich vorstellen, Logistiksoftware einzusetzen, die auf Servern im Internet läuft. Zu diesem Ergebnis gelangt auch die zweite Marktanalyse des Dortmunder Fraunhofer-Instituts IML. Gemäss dieser Studie tun dies bereits etwa 13 %. Insbesondere die Akzeptanz und Nutzungsbereitschaft der vom IML entwickelten "Logistics Mall" wurde im Rahmen der Untersuchung bei Anbietern und Anwendern evaluiert.

 

 Cloud Computing hat den Schritt in die Praxis vollzogen und ist mittlerweile auch schon verschiedentlich im Einsatz. Auch das Wissen über die Technologie ist gewachsen. Viele Entscheider haben sich mit der Cloud beschäftigt, sich eine Meinung gebildet und Stellung bezogen. In der Mehrzahl aller Fälle fällt gemäss Cloud-Initianten die Entscheidung positiv aus: Während 56 % der Anwender bereit sind, Logistiksoftware aus der Cloud zu nutzen, können sich 67 % der Anbieter vorstellen, eigene Lösungen in einer Cloud-Architektur zu betreiben (45 % bieten bereits eine oder mehrere Cloud-fähige IT-Lösungen an). Das Konzept der Logistics Mall vom IML wird von 80 % der Anwender und 71 % der Anbieter befürwortet.

 Cloud und "Logistics Mall"

Um die Vorteile der Cloud für die Logistik vorteilhaft nutzbar zu machen, haben die Fraunhofer-Institute für Materialfluss und Logistik (IML), und das Institut für Software- und Systemtechnik (ISST), im Rahmen des Fraunhofer-Innovation-Clusters «Cloud-Computing für Logistik» gemeinsam einen virtuellen Marktplatz für logistische IT-Anwendungen, Dienste und Prozesse entwickelt: die Logistics Mall. In dieser werden Softwareapplikationen nicht mehr als überdimensionierte Komplettlösungen angeboten, sondern modularisiert bereitgestellt. Einzelne Softwaremodule können auf der Online-Plattform zu grösseren Prozessketten kombiniert, per Mausklick gemietet und direkt in der Cloud ausgeführt werden.

Eine Logistik-Mall als Cloud-Plattform

 Der Fraunhofer-Innovationscluster »Cloud Computing für Logistik« wurde 2010 von den beiden Fraunhofer-Instituten IML und ISST sowie dem Logistik-Mall-Unternehmen Logata GmbH als Betreiber der neuen IT-Plattform ins Leben gerufen. Ziel war es, die Logistik-IT zu revolutionieren und neue Perspektiven für Anbieter und Anwender von Logistiksoftware zu schaffen.

 Durch die enge Zusammenarbeit der Institute und des Mall-Betreibers sowie der kombinierten Nutzung von Logistik- und IT-Know-how entstand eine serviceorientierte Plattform: die Logistics Mall als virtueller Marktplatz, auf dem vernetzte Dienstleistungen und Softwaresysteme zur Verfügung gestellt werden. Verschiedene Logistikservices werden miteinander bedarfsorientiert kombiniert und gebucht; Funktionen unterschiedlicher Anbieter können zu einem individuellen Gesamtpaket zusammengestellt werden.

 Aber die Reise ist noch nicht zu Ende: Derzeit entwickeln die Forscher in den aktuell laufenden Projekten weitere technologische Grundlagen, die zum Ausbau der Logistics Mall beitragen. Zudem hilft eine Usergroup »Cloud Computing für Logistik« interessierten Anwenderunternehmen den Weg in die Wolke so schnell wie möglich einzuschlagen. Die Unternehmen erhalten durch die Usergroup die Möglichkeit, den Schritt in die Cloud-Technologie weitgehend risikolos zu setzen. Das Entdecken von Vorteilen, der Abbau von Bedenken gegenüber Cloud Computing und Hilfestellungen bei der praktischen Umsetzung eigener Cloud-Projekte stehen im Fokus des Angebots. Überdies sorgen halbjährliche Usergroup-Treffen und moderierte Diskussionsforen für den nötigen Technologietransfer. Eigenes Know-how und Forschungsergebnisse geben Antworten auf Fragen nach Peripherieeinbindung, Usability, Cloud-Fähigkeit, Abrechnungsmodellen, Benutzermanagement, Betriebskonzept, Business-Model, Prozessmodellierung, Geschäftsprozessen, Interoperabilität, Kommunikationsstandards und Geschäftsobjekten.

 Zwei Praxisbeispiele

1. Der Logistikmanager des Autobauers Audi hat Anfang 2011 ein Trackingsystem eingeführt, damit er jederzeit weiss, wo sich jeder einzelne Artikel der rund 500 Warengruppen, die von asiatischen Zulieferern  kommen, befindet. „So können wir besser auf etwaige Lieferengpässe reagieren und verbessern die Versorgungssicherheit unserer Werke“, fasst er die Zielsetzung zusammen. Die lückenlose Warenrückverfolgung endet erst, sobald das Zulieferteil bei Audi in Deutschland angekommen ist. Die hierfür notwendige Software mietet Audi als Cloud aus einem Rechenzentrum und bezahlt dafür eine monatliche Gebühr.

Audi bezieht auch Zulieferungen aus dem
Ausland, die mittels Track & Tracing ver-
folgt werden können.

 Audi bezieht seine Anwendung von der zuvor beschriebenen Logistics Mall. Sie bringt Software-Anbieter und -Anwender zusammen, damit sich Anwender individuell nach ihren Bedürfnissen Bausteine aus verschiedenen Logistikprogrammen auswählen können – also beispielsweise den Baustein Kommissionierung aus der Lagerverwaltung mit dem Baustein Nahverkehr aus dem Transportmanagement kombinieren.

 Die Cloud, also die Nutzung von IT-Leistungen nach Bedarf über Datennetze anstatt auf lokalen Rechnern zu installieren, bietet aber nicht nur grossen, international tätigen Unternehmen wie Audi Vorteile.

 Auch kleineren Logistikunternehmen ohne eigene IT-Abteilungen ermöglicht die Cloud Zugriff auf die neuesten Anwendungen, die für sie sonst zu kostenintensiv wären. Durch die Auslagerung der Rechenleistung in die Cloud entfallen die Investitionen in Hardware und IT-Dienstleistungen. Und so kann jeder Nutzer überall auf der Welt stets auf seine Daten zugreifen.

2. Die Kisag AG, ein Schweizer Hersteller für Küchengeräte und Apparate für die Gastronomie, arbeitet seit Jahren mit einer bestehenden, sehr umfangreichen ERP-Lösung. Da diese Software nicht mehr weiterentwickelt wird, sah sich das Unternehmen veranlasst, mittelfristig eine neue Lösung zu evaluieren.  Die ideale Lösung dazu sah man in einer Gesamtlösung, welche sowohl über ERP-Funktionen als auch über einen Online-Shop verfügte.

 Um den Kunden nebst dem Kauf im traditionellen Handel auch den Online-Einkauf zu ermöglichen, hat sich das Unternehmen entschlossen, mit dem Webshop einen zusätzlichen Vertriebskanal zu schaffen. Die Lösung fand man in einem Cloud-System. Der Lösungsumfang begeisterte dabei genauso wie das Betriebsmodell «Software as a Service», welches kostenintensive Investitionen und Ressourcen für den Systemunterhalt erspart.

 Für die Kisag AG ist das neue ERP-System mit dem Online-Shop wegweisend für die Einführung einer betriebswirtschaftlichen Lösung für das gesamte Unternehmen. Lediglich der Bereich Finanzbuchhaltung wurde nicht aktiviert, da die entsprechenden Daten aus organisatorischen Gründen im Moment noch im alten ERP-System gepflegt werden.

 Vor- und Nachteile der Cloud

Cloud Computing gilt als aktueller Entwicklungsschritt in der Evolution der Informationstechnologie, allerdings ist es mehr als ein reines IT- oder Technologie-Managementthema. Denn durch die stärkere Unabhängigkeit von Geschäftsprozessen und den IT-Ressourcen sind Unternehmen flexibler und können schneller Innovation hervor bringen. Doch weiss man recht genau: wo Licht ist, fällt auch Schatten. Die Cloud-Technologie weist verschiedene Vorteile auf, denen aber auch noch stets entscheidende Nachteile gegenüberstehen. Und die gilt es vor einer Nutzung entsprechend abzuwägen.

 Anders als etwa zentrale Internetdienste wie E-Mails oder das Web, die niemandem gehören, werden Cloud-Server und Kurznachrichtendienst von einzelnen Konzernen kontrolliert. Deren Sicherheitsbewusstsein, Interessen und Launen ist derjenige ausgeliefert, der sich auf sie verlässt. Drum prüfe, wer sich wie bindet! Cloud-Anwender sollten sich gründlich überlegen, mit wem sie sich einlassen und welche Teile ihres Geschäfts sie auslagern. Zumal das Internet künftig wohl noch anfälliger werden wird.

 Allfällige Risiken lassen sich an folgendem, einfachem Beispiel aufzeigen. Der virtuelle Festplattendienst Dropbox ist ein Paradebeispiel für einfaches Datenspeichern. Die Firma hat mehr als 100 Millionen Nutzer, die am Tag mehr als eine Milliarde Dateien speichern, doch sie hat dafür nicht eine einzige Festplatte angeschafft – diese Daten liegen unter anderem auf Servern von Amazon. Fällt Dropbox wegen Schwierigkeiten bei Amazon aus, ist das nicht nur ein Problem von Millionen Privatnutzern, sondern auch von vielen Firmen, die den Dienst als digitales Gedächtnis nutzen – dann leiden auch sie unter ʹdigitaler Amnesieʹ.

 Aber Angst machen ist allerdings nicht angesagt. Denn kaum eine Firma wird zukünftig auf Cloud-Dienste verzichten können, wenn die Konkurrenz damit Geld spart und Investoren – vor allem schlanke Unternehmungen – dies bevorzugen. Allerdings gibt es auch andere Wege schlank zu bleiben und auf Nummer sicher zu gehen: wenn das Risiko besser verteilt wird!

 Fazit und Ausblick

 Cloud-Computing hat die IT-Branche stark verändert und zukünftige Entwicklungen werden sie weiterhin stark beeinflussen – nicht zuletzt auch im Bereich Logistik. Ressourcen wie Speicherplatz und Rechenleistung werden von Cloud-Anbietern in grossen Rechenzentren bereitgestellt. Dieser Prozess wird von einigen Experten als eine Art Demokratisierung der IT-Branche gesehen. Ein kleines Start-Up kann per Cloud mit einem globalen Unternehmen konkurrieren, ohne eine eigene Infrastruktur aufbauen zu müssen.

 Cloud-Computing unterliegt grundsätzlich den gleichen Angriffsgefahren wie eine traditionelle Infrastruktur. Allerdings steigt die Gefahr eines Angriffs durch die Vereinfachung und Zentralisierung. Mit der Verteilung auf verschiedenen und unbekannten Systemen erhöht sich die Komplexität und die Anzahl potentiellen Angriffspunkte deutlich. Nur eine sichere Verschlüsselung, die durch alle Beteiligten und nicht nur durch den Cloud-Anbieter erfolgt, kann einen zuverlässigen Schutz der Daten gewährleisten. Hierin eingeschlossen sind auch starke Authentizität- und Zugangskontrollen.  

 Dennoch - das Cloud-Computing hat sich etabliert – daran besteht kein Zweifel mehr – aber die Entwicklungen hierzu sind noch längst nicht abgeschlossen. Es zeichnet sich bereits ab, dass in Zukunft eine neue, sicherere Form des Cloud-Computings viele Branchen begleiten und verändern wird. Die Cloud macht aus der Not eine Tugend und verteilt vorhandene Ressourcen bedarfsgerecht an verschiedene Nutzer.

Quellen:

-     Fraunhofer-Institut, www.fraunhofer.de
-     Fraunhofer-Institut f. Materialwirtschaft & Logistik IML, Dortmund
-     Handelsblatt (D), www.handelsblatt.com/Unternehmen/
-     Schweizer Logisitik-Katalog 2014,www.schweizerlogistikkatalog.ch
-     Sicherheit in der Wolke, http://cloud-computing-blog.eu/
 

 

07.02.2015 | Autor Hans Joachim Behrend   -> Drucken

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